Zurück zur subventionserheblichen Tatsache

Durch die COVID-19-Pandemie und die zu ihrer Eindämmung verhängten Maßnahmen sind vielen Unternehmen erhebliche wirtschaftliche Schäden entstanden. Um diese zu kompensieren, haben alle Bundesländer -zum Teil unterschiedliche- Soforthilfe-Programme aufgelegt. Bekannt geworden sind derartige Programme zumeist unter dem Begriff "Corona-Soforthilfe".

 

Da die Probleme der Unternehmen akut waren und somit ein schnelles Einschreiten dringend erforderlich war, treten auch bei der strafrechtlichen Aufarbeitung von Problemfällen aus dem Bereich der "Corona-Soforthilfe" Fragestellungen in den Vordergrund, die bislang im Subventions-(straf-)recht nur eine ungeordnete Rolle gespielt haben.

 

Wie angedeutet, handelt es sich bei den sogenannten "Corona-Soforthilfen" um Subventionen im Sinne des § 264 Abs. 8 Satz 1 StGB (BGH, Beschlüsse vom 04.05.2021 - 6 StR 137/21 und vom 06.10.2023 - 2 StR 243/22). Daher können unrichtige oder unvollständige Angaben im Zusammenhang mit der Beantragung und Gewährung der "Corona-Soforthilfe" eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges nach sich ziehen. 

 

Erforderlich ist es in den Fällen des § 264 Abs. 1 Nr. 1, 2 und 4 StGB darüber hinaus, dass sich die unvollständigen oder unrichtigen Angaben auf sogenannte subventionserhebliche Tatsachen beziehen. 

 

Der § 264 Abs. 9 StGB sieht vier Formen des Ausweises subventionserheblicher Tatsachen vor: 

 

1. Die formale Bezeichnung durch Gesetz (§ 264 Abs. 9 Nr. 1 1. Alt.),

2. die formale Bezeichnung durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes (Nr. 1 2. Alt.),

3. die gesetzliche Abhängigkeit von den Bewilligungsvoraussetzungen (Nr. 2 1. Alt.)

 

sowie

 

4. die Abhängigkeit der Bewilligung nach dem Subventionsvertrag (Nr. 2 2. Alt.)

 

Bei den Corona-Soforthilfen besteht keine eigene gesetzliche Grundlage, die die im Antrag genannten Tatsachen als subventionserheblich bezeichnet bzw. die Bewilligungsvoraussetzungen im Einzelnen regelt (lediglich Haushaltsgesetze im Allgemeinen). Es liegt auch kein Subventionsvertrag vor. Letztlich käme dann nur eine formelle Bezeichnung durch den Subventionsgeber aufgrund eines Gesetzes als mögliche Variante in Betracht. Dazu wurde geprüft, ob § 2 Abs. 1 SubvG (ggf. in Verbnindung mit § 1 SubvG M-V) eine derartige gesetzliche Grundlage darstellen kann, was mit der Kommentierung (MüKo-StGB/Ceffinato, 3. Auflage, § 264, Rn. 66 m.w.N.) und der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, Beschluss vom 12.10.2023 - 2 StR 243/22, hier zitiert nach bundesgerichtshof.de, dort Rn. 13) bejaht wird. Deshalb stellt sich die Frage, ob die in den jeweiligen Anträgen der Bundesländer verwendeten Formulierungen ausreichen, um einzelne Tatsachen als subventionserheblich zu kennzeichnen.

 

Dies wurde vom zweiten Strafsenat des Bundesgerichtshofes, unter Bezugnahme auf die bisher vertretenden und unter Aufstellung neuer Grundsätze, nunmehr teilweise verneint (BGH vom 12.10.2023, aaO). Zugleich zeigt sich der zweite Senat skeptisch (aaO, Rn. 16) gegenüber der Rechtsprechung des sechsten Strafsenats (Beschluss vom 04.05.2021 - 6 StR 137/21), die hier (Lanz, "Quo vadis subventionserhebliche Tatsache?", benjamin-lanz.de) bereits vorgestellt wurde.

 

Besonders erwähnenswert sind nach hiesigem Dafürhalten zwei Erwägungen des Senats:

 

1. Ein Hinweis darauf, dass "vorsätzlich oder leichtfertig falsche oder unvollständige Angaben im Antragsformular die Strafverfolgung wegen Subventionsbetruges zur Folge haben können" reicht, wie bereits vom Autor an dieser Stelle (hier abrufbar) vertreten, für die hinreichend bestimmte Bezeichnung subventionserheblicher Tatsachen nicht aus. Hierzu führt der Senat (aaO, Rn. 16) aus:

 

"Ein solcher Hinweis steht einer Bezeichnung bestimmter Tatsachen als subventionserheblich aber nicht gleich. Während die Bezeichnung der subventionserheblichen Tatsachen entsprechend der gesetzlichen Zweckbestimmung sicherstellt, dass der Antragsteller über die Vergabevoraussetzungen umfassend ins Bild gesetzt wird, hat die Belehrung wegen einer potentiellen Strafverfolgung eine andere Zielrichtung. Ihr kommt eine bloße Warnfunktion, nicht jedoch die tatbestandlich erforderliche Informationsfunktion hinsichtlich der subventionserheblichen Umstände zu."

 

2. Eine Subventionserheblichkeit nach § 264 Abs. 9 Nr. 2 StGB, kann sich aus dem allgemeinen Verbot der Subventionierung von Scheingeschäften und Scheinhandlungen des § 4 SubvG ergeben (BGH, aaO, Rn. 18). Der verdeckte Sachverhalt ist dann für den Umgang mit der Subvention oder mit dem Subventionsvorteil maßgebend. Daher sind solche Tatsachen grundsätzlich subventionserheblich, die durch eine Scheinhandlung oder ein Scheingeschäfts verdeckt werden und von denen die Gewährung/das Belassen der Subvention abhängt. Ein Scheingeschäft in diesem Sinne liegt vor, wenn "die Parteien einverständlich nur den äußeren Schein des Abschlusses eines Rechtsgeschäfts hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtswirkungen nicht eintreten lassen wollen, den Parteien also der Geschäftswille fehlt (vgl. BGH, Ur-teil vom 25. Oktober 2017 – 1 StR 339/16, juris Rn. 75; Beschluss vom 28. Mai 2014 – 3 StR 206/13, BGHSt 59, 244, 250; Urteil vom 25. Oktober 1961 – V ZR 103/60, BGHZ 36, 84, 87 f.; BFH, Urteil vom 21. Oktober 1988 – III R 194/84, BStBl. II 1989, 216; LK-StGB/Tiedemann, 12. Aufl., § 264 Rn. 124 mwN; MüKo-StGB/Ceffinato, 4. Aufl., § 264 Rn. 88)" (BGH, aaO, Rn. 19). Eine Scheinhandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 SubvG liegt nur dann vor, wenn "über die Falschangabe hinaus ein gegenüber dem Subventionsgeber zur Kenntnis gebrachter tatsächlicher Akt vorgenommen wird, der geeignet ist, den Anschein eines in Wahrheit nicht existierenden Sachverhalts zu vermitteln (so auch, allerdings ohne weitere Herleitung KG, Urteil vom 10. September 2021 – (4) 121 Ss 91/21 (134/21), NZWiSt 2022, 446, 449)" (BGH, aaO, Rn. 23). Damit liegt eine Scheinerklärung nicht allein in der wahrheitswidrigen Angabe an sich, sondern erfordert einen weiteren, tatsächlichen Umstand. Dieser tatsächliche Umstand liegt regelmäßig in Handlungen die die wahrheitswidrige Angabe untermauern. Als Beispiele werden die Anmeldung eines Gewerbes zum Schein, die Vorlage gefälschter Unterlagen sowie die Begründung oder Beibehaltung eines Wohnsitzes oder einer Betriebsstätte zum Schein genannt (BGH, aaO, Rn. 27).

 

Die vorstehend zusammengefassten Aspekte der Entscheidung vom 12.10.2023 weisen eine hohe Praxisrelevanz aus. Zum einen ist nun unmissverständlich geklärt, dass ein Hinweis auf eine mögliche Strafverfolgung/Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges zur Bezeichnung subventionserheblicher Tatsachen nicht ausreicht. Damit sind die meisten, beispielsweise in Mecklenburg-Vorpommern verwendeten Antragsformulare ungeeignet um eine Strafbarkeit wegen Subventionsbetruges zu begründen. Zum anderen steht der gelegentlich anzutreffenden Unsitte, die Voraussetzungen der unrichtigen oder unvollständigen Angaben im Sinne des § 264 Abs. 1 Nr. 1 StGb mit den Voraussetzungen einer Scheinhandlung im Sinne des § 4 Abs. 1 SubvG gleichzusetzen, nunmehr höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen.

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