Strafanzeige und Strafantrag - Große Unterschiede, schwerwiegende Konsequenzen

Dass zwischen Strafanzeige und Strafantrag erhebliche Unterscheide bestehen ist nicht nur dem größten Teil der Bevölkerung nicht bewusst. Leider gibt es auch bei Polizei und Gerichten, aber auch bei den Staatsanwaltschaften immer wieder Situationen in denen das geltende Recht diesbezüglich nicht richtig angewendet wird.

 

Zum besseren Verständnis zunächst zu den Begrifflichkeiten:

 

Als Strafanzeige wird gemeinhin die Mitteilung eines Sachverhalts, der nach Meinung des Anzeigenden Anlass für eine Strafverfolgung bietet, verstanden (vgl. Z.B. Köhler in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 65. Auflage, § 158, Rn. 1). Dass die anzeigende Person auch selbst von dem mitgeteilten Sachverhalt betroffen ist (z.B. als Verletzter), ist nicht notwendig. Aufgrund einer Strafanzeige sind die Strafverfolgungsbehörden -wegen des Legalitätsprinzips, §§ 152 Abs. 2, 160 Abs. 1, 163 StPO- zur Prüfung, ob ein Ermittlungsverfahren einzuleiten ist, verpflichtet. Die Strafanzeige ist nicht Prozessvoraussetzung und bedarf grundsätzlich keiner Form. Der Anzeigende ist, außer in den Fällen des § 172 StPO, also wenn die anzeigende Person auch Verletzte ist, nicht Nebenbeteiligter.

 

Demgegenüber ist ein Strafantrag die Erklärung eines nach dem Gesetz zum Strafantrag Befugten (dazu sogleich), dass er die Strafverfolgung einer bestimmten, nicht notwendig auch bekannten, Person, wünsche. Entscheidend ist, dass der Verfolgungswille unmissverständlich und schriftlich zum Ausdruck gebracht wird (Köhler, aaO, Rn. 4 unter Hinweis auf die Rspr.). Antragsberechtigt nur der Verletzte oder im Falle seines Todes, der Ehegatte, der Lebenspartner und die Kinder. Unter bestimmten Umständen (vgl. hierzu § 77 Abs. 2 StGB) sind auch die Eltern, Geschwister und Enkel antragsberechtigt. Darüber hinaus kann -soweit vorhanden- der gesetzliche Vertreter oder der Sorgeberechtigte Strafantrag stellen (§ 77 Abs. 3 StGB). Der Antrag muss gemäß § 77b StGB binnen 3 Monaten ab Kenntnis der Tat und der Person des Täters (nicht namentlich) gestellt werden. Er ist bei Gericht oder Staatsanwaltschaft schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle, bei anderen Behörden wie der Polizei, nur schriftlich zu stellen. Der Antrag muss -außer in seltenen Einzelfällen- unterschrieben sein (so auch: BGH, Beschluss vom 06.10.2020 - 4 StR 168/20, hier zitiert nach juris). Wie der Bundesgerichtshof in einer aktuellen Entscheidung (Beschluss vom 12.05.2022 - 5 StR 398/22, hier zitiert nach juris, dort Rn. 14ff.) verdeutlicht hat, ist ein Strafantrag per einfacher E-Mail unwirksam. Wegen § 32a StPO sei eine elektronsiche Übermittlung nur auf die dort geregelten Arten möglich.

 

Warum kann ein Strafantrag nun so wichtig sein?

 

Dazu bietet es sich an "etwas weiter auszuholen". Das deutsche Strafrecht kennt sowohl sogenannte Offizialdelikte als auch relative und absolute Antragsdelikte. Offizialdelikte sind alle Straftaten, für das Gesetz nicht das Vorliegen eines Strafantrags voraussetzt. Das bedeutet, sie werden von Amts wegen verfolgt. Es ist weder eine Strafanzeige noch ein Strafantrag notwendig. Erfährt eine Strafverfolgungsbehörde, ganz gleich auf welchem Weg, von einem Sachverhalt der den Verdacht einer solchen Straftat begründet, wird sie quasi von allein tätig. Absolute Antragsdelikte dürfen demgegenüber nur verfolgt werden, wenn ein formwirksamer und fristgemäßer Strafantrag vorliegt. Fehlt es an einem Strafantrag, liegt ein Verfahrenshindernis vor, weshlab das Verfahrne einzustellen ist. Relative Antragsdelikte dürfen ebenfalls nur aufgrund eines wirksamen Strafantrags verfolgt werden, können jedoch -so ein besonderes öffentliches Interesse an der Strafverfolgung besteht- auch ohne einen Solchen verfolgt werden. Relative Antragsdelikte sollen im Folgenden keine Rolle spielen.

 

Wann eine Tat ein absolutes Antragsdelikt ist, hängt nicht nur von der Tat selbst, sondern gegebenenfalls auch von der Beziehung zum möglichen Täter ab, was es für juristische Laien häufig sehr schwierig macht, festzustellen wann ein Strafantrag gestellt werden muss.

 

Ein Beispiel für ein absolutes Antragsdelikt ist der Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB oder auch das Vereiteln der Zwangsvollstreckung (§ 288 StGB). Daneben können z.B. auch Betrug (§ 263 StGB*), Untreue (§ 266 StGB*) und Diebstahl (§ 242 StGB) absolute Antragsdelikte sein, wenn sich die Tat als ein Haus- und Familiendiebstahl im Sinne des § 247 StGB darstellt. Dafür reicht es, wenn die Tat durch einen Angehörigen, das Mündel oder den Betreuten begangen wurde. Es gibt weder eine Wertgrenze noch ist in diesen Fällen notwendig, dass mit dem Täter zusammengelebt wird. Wird mit dem Täter zusammengelebt (z.B. auch in Wohngemeinschaft) handelt es sich auch im absolutes Antragsdelikt, wenn die Person nicht verwandt ist. Da die Folgen eines nicht gestellten Strafantrages irreparabel sind, gilt es auch auf diese Vorausetzung der Strafverfolgung besonderes Augenmerk zu legen.

 

*auf Betrug und Untreue ist die Regelung des § 247 StGB wegen Verweisungen in § 263 Abs. 4 und § 266 Abs. 2 StGB ebenfalls anwendbar

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