Die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist im Strafverfahren - "Wie Du mir, so ich Dir?"

Mit dem "Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften" vom 25.06.2021 (BGBl.I, Nr. 37, 2099ff.), welches in weiten Teilen zum 01.07.2021 in Kraft getreten ist, wurde auch der § 345 StPO einer wesentlichen Änderung unterzogen.

 

Bisher galt, dass die Frist zur Begründung einer Revision im Strafverfahren immer nur einen Monat beträgt. Ein Abweichen hiervon war unter keinen Umständen vorgesehen.

 

Dies hat sich nun geändert. 

 

Mit dem zitierten Gesetz wurde in § 345 Abs. 1 Satz 2 StPO eine Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist um einen bzw. um zwei Monate geschaffen. Geknüpft ist die Verlängerung der Frist nicht etwa, was naheliegend gewesen wäre, an die Dauer der Hauptverhandlung wie es z.B. in § 229 StPO (Unterbrechung der Hauptverhandlung) der Fall ist, sondern an den Zeitpunkt an dem das schriftliche Urteil zu den Akten gelangt ist. Auch wenn es sich so anhören mag, ist damit keine zwingende Anlehnung an die Regelung des § 275 Abs. 1 StPO (Absetzungsfrist von Urteilen) verbunden. Vielmehr kommt es für die Berechnung der Revisionsbegründungsfrist auf den tatsächlichen Zeitpunkt zu dem das Urteil zu den Akten gelangt, an.

 

So lautet die Neuregelung (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO):

 

"Die Revisionsbegründungsfrist verlängert sich, wenn das Urteil später als einundzwanzig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen Monat und, wenn es später als fünfunddreißig Wochen nach der Verkündung zu den Akten gebracht worden ist, um einen weiteren Monat."

 

Was bedeutet dies nun praktisch?

 

Um prognostizieren zu können, ob es zu einer Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist kommen kann, muss dann doch wieder auf die Dauer der Hauptverhandlung, mithin auf die Anzahl der Hauptverhandlungstage abgestellt werden, da sich nach diesen bestimmt wie lang die Frist zur Absetzung des schriftlichen Urteils ist. Ist diese Urteilsabsetzungsfrist mehr als 21 Wochen lang, würde sich die Frist zur Revisionsbegründung, so das Gericht sie voll ausschöpft, um einen Monat verlängern.

 

Damit ist nach den Vorgaben des § 275 Abs. 1 StPO zu berechnen nach wie vielen Hauptverhandlungstagen die Urteilsabsetzungsfrist länger als 21 Wochen ist:

 

Grundfrist von 5 Wochen ab Verkündung + Verlängerung um 2 Wochen nach mehr als 3 Hauptverhandlungstagen + x Verlängerungen für jeden begonnenen Abschnitt von 10 Hauptverhandlungstagen um 2 Wochen > 21 Wochen

 

5 Wochen

7 Wochen (ab 4 Hauptverhandlungstagen)

9 Wochen (ab 10 Hauptverhandlungstagen)

11 Wochen (ab 20 Hauptverhandlungstagen)

13 Wochen (ab 30 Hauptverhandlungstagen)

15 Wochen (ab 40 Hauptverhandlungstagen)

17 Wochen (ab 50 Hauptverhandlungstagen)

19 Wochen (ab 60 Hauptverhandlungstagen)

21 Wochen (ab 70 Hauptverhandlungstagen)

 

Das bedeutet, dass eine einmonatige Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist überhaupt nur in Betracht kommen kann, wenn die Hauptverhandlung mehr als 70 Tage gedauert hat. Selbst in diesen Fällen ist jedoch eine solche Verlängerung nicht zwingend, da das Gericht das Urteil immer noch früher als nach 21 Wochen zu den Akten bringen und so die Voraussetzungen des § 345 Abs. 1 StPO "unterlaufen" kann. Gleiches gilt analog für die im Gesetz neu vorgesehene Verlängerung von 2 Monaten. Diese wird frühestens nach 140 Hauptverhandlungstagen möglich.

Kritik

Dass die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist überhaupt ermöglicht wurde, ist erfreulich. Weniger erfreulich ist jedoch die Art und Weise dieser Neuerung. Die Anknüpfung der Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist an die tatsächliche Urteilsabsetzung führt bei der Revisionsführerin zu zwei wesentlichen und nach hiesiger Ansicht leicht vermeidbaren Nachteilen.

 

Zum Einen kann mit einer verlängerten Revisionsbegründungsfrist nicht bereits nach Urteilsverkündung geplant werden, da es -anders als für das Gericht- nicht auf die Dauer der Hauptverhandlung, sondern nur auf den -ggf. weit in der Zukunft liegenden- Zeitpunkt der tatsächlichen Urteilsabsetzung ankommt. Dauert also die Hauptverhandlung mehr als 70 Tage an, schafft es das Gericht jedoch das Urteil bereits nach 20 Wochen das schriftliche Urteils abzusetzen, kommt es nicht zu einer Verlängerung der Frist zur Revisionsbegründung.

 

Zum anderen wird die Urteilsabsetzung als Solche der Revisionsführerin nicht mitgeteilt. Sie bekommt nur das Urteil zugestellt und muss dann im Wege der Akteneinsicht oder eines Auskunftsersuchens den Zeitpunkt der Absetzung und damit -mittelbar- die Länge der ihr zur Verfügung stehenden Zeit für die Revisionsbegründung in Erfahrung bringen.

 

Dies erscheint insbesondere vor dem Hintergrund unfair als dass das Gericht bereits im Moment der Verkündung des Urteils die genaue Frist zur Absetzung kennt. Es wäre ein Leichtes gewesen die Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist an die Dauer der Hauptverhandlung, wie in § 229 oder eben in § 275 StPO gesehen, anzupassen. Dies nicht zu tun ist nicht nur schaden, sondern lässt tief blicken.

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