Keine "Nachholung" der Einziehungsentscheidung nach rechtskräftiger Verurteilung

Nach der Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung im Strafverfahren vom 01.07.2017 bestehen weiter viele Unsicherheiten beim Umgang mit der überarbeiteten und teilweise gänzlich neuen Materie. Nur Stück für Stück füllt die Rechtsprechung die Regelungen mit Leben und nicht immer sind die Ergebnisse dessen gut vertretbar.

 

Eine, demgegenüber gut vertretbare, weil logische Entscheidung, traf jedoch das Amtsgericht Dortmund (Beschluss v. 22.02.2019 - 767 Ls-800 Js 380/18-66/18) zu der Frage ob eine Einziehungsentscheidung auch nach einem rechtskräftigen Urteil nachgeholt werden kann.

Hintergrund

Stark vereinfacht ausgedrückt, können und sollen Taterträge, aus den Taterträgen gezogene Nutzungen sowie Gegenstände, die aus der Veräußerung des Tatertrags oder als Ersatzleistung bei Verlust resultieren, eingezogen, also dem Täter entzogen werden. Materiell-rechtlich findet dies in den §§ 73ff. StGB seine Grundlage. Verfahrensrechtlich finden sich die entsprechenden Regelungen in den §§ 421 StPO. Daneben existieren Regelungen (§§ 111b ff. StPO), die die eine spätere Einziehung absichern sollen, also z.B. den Vermögensarrest und die Beschlagnahme möglicher Taterträge im Ermittlungsverfahren betreffen.

 

Durch die Reform neu in das Gesetz aufgenommen wurde die Möglichkeit ein sogenanntes selbstständiges Einziehungsverfahren durchzuführen. Das durchzuführende Verfahren bestimmt sich nach den §§ 435 bis 437 StPO während materiell-rechtlich der §  76a StGB die Grundlage bildet.

 

Die Durchführung eines solchen Verfahrens ist jedoch an spezielle Voraussetzungen geknüpft wobei Einzelheiten, wie oben angedeutet, häufig unklar sind.

Die Entscheidung des Amtsgerichts Dortmund

Das Amtsgericht hatte einen Fall zu entscheiden, bei dem die Staatsanwaltschaft den Angeklagten vorwarf, mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unerlaubt Handel getrieben zu haben. Dabei war eine Einziehungsentscheidung beantragt worden hinsichtlich sichergestellter Betäubungsmittel nebst Verpackungsmaterialien. Im Anschluss kam es zu einer Eröffnung des Verfahrens und zu einer Verurteilung wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe.

 

Eine Einziehungsentscheidung erfolgte ausweislich der Gründe des Urteils deshalb nicht, weil der Angeklagte sich mit einer außergerichtlichen Einziehung der genannten Gegenstände einverstanden erklärt hatte. Nach Rechtskraft dieses Urteils beantragte die Staatsanwaltschaft im selbstständigen Einziehungsverfahren nach § 435 StPO eine Nachholung einer Einziehung von 1.883 €, die zu Beginn des Ermittlungsverfahrens bei dem Beschuldigten sichergestellt worden waren und hinsichtlich derer der Beschuldigte angegeben hatte, dass es sich um Gewinne aus Drogenverkäufen gehandelt habe.

 

Das Amtsgericht lehnte diesen Antrag ab, da er bereits unzulässig gestellt worden sei. Notwendig sei die Antragstellung mittels einer Antragsschrift, die in ihren formellen Anforderungen einer Anklageschrift zumindest angenähert ist. Die Antragstellung in Form einer einfachen Übersendungsverfügung sei keinesfalls ausreichend.

 

Dem ist zuzustimmen. Bereits der Wortlaut der einschlägigen Regelung (§ 435 Abs. 2 StPO) ist insoweit eindeutig. Demnach sind der Einziehungsgegenstand bzw. der Geldbetrag der dessen Wert entspricht sowie die Tatsachen die die Zulässigkeit einer solche selbstständigen Einziehung begründen sollen, anzugeben. Weiter wird ein Bezug zu § 200 StPO hergestellt. Diese Regelung enthält die Anforderungen an eine wirksame Anklageschrift, so dass klar ist, dass diese Anforderungen auch an eine Antragschrift im Sinne des § 435 StPO, § 76a StGB zu stellen sind.

 

Weiter führt das Amtsgericht zutreffend aus, dass materiell die Voraussetzungen des § 76a StGB hätten vorliegen müssen. Nach dieser Regelung ist ein selbstständiges Einziehungsverfahren (außer in Fällen des § 76a Abs. 4 StGB) nur zulässig, wenn die Tat nicht verfolgt oder abgeurteilt werden kann oder bereits Verfolgungsverjährung eingetreten ist. Weiter kann ein selbstständiges Einziehungsverfahren zulässig sein, wenn von der Bestrafung abgesehen oder das Verfahren eingestellt wurde. Dies war aber in dem zu entscheidenden Sachverhalt gerade nicht der Fall. Der Täter war bereits rechtskräftig verurteilt worden.

 

Ebenso gab es keine Abtrennung der Einziehung nach § 422 StPO, die eine Entscheidung über die Einziehung nach Rechtskraft des Urteils in der Hauptsache nach § 423 StPO ermöglicht hätte.

 

Auch eine nachträgliche Anordnung der Einziehung von Wertersatz nach § 462 Abs. 1 Satz 1 StPO i.V.m. § 76 StGB kam nicht in Betracht, da die angeordnete Einziehung (hier: der Betäubungsmittel und des Verpackungsmaterials) die Einziehung des sichergestellten Bargelds in keiner Weise betraf also nicht im Sinne des Gesetzes unzureichend oder unausführbar war.

Fazit

Die Entscheidung ist rechtlich zutreffend und zeigt die Grenzen einer selbstständigen Einziehung auf. Diese ist eben nicht dazu geschaffen worden, um aus Versehen unterbliebene Einziehungsentscheidungen nachzuholen oder entsprechende Fehler zu heilen. Dennoch zeigt die Entscheidung eindrucksvoll wie weit die gesetzlichen Möglichkeiten einer nachträglichen oder allgemein selbstständigen Einziehung gehen (können).

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