Neugierig? - Zur Akteneinsicht durch Dritte

In einem Ermittlungsverfahren werden Informationen in den Sachakten bzw. in weiteren Aktenbestandteilen wie Sonderheften, Fallakten usw. gesammelt. Es handelt sich um Informationen, die den Staatsanwalt in die Lage versetzen sollen, eine Abschlussentscheidung zu treffen.

 

Interessenten für diese Informationen gibt es wahrlich genug. Neben dem Beschuldigten, kann auch der Verletzte ein Interesse an der Einsicht in die Ermittlungsakten haben. Weiter beantragen, je nach Vorwurf, auch Behörden oder Dritte wie z.B. die Deutsche Rentenversicherung, Jobcenter oder Haftpflichtversicherungen Auskünfte oder Akteneinsicht.

 

Bei der Erteilung von Auskünften und der Gewährung von Akteneinsicht wird nach der Stellung des Antragstellers unterschieden.

 

Das Akteneinsichtsrecht des Beschuldigten richtet sich nach § 147 StPO, während sich das Auskunfts- und Akteneinsichtsrecht des Verletzten nach § 406e StPO richtet. Das Recht auf Erteilung von Auskünften und zur Akteneinsicht für Justizbehörden und andere öffentliche Stellen richtet sich nach den Vorgaben des § 474 StPO, das von Privatpersonen und sonstigen Stellen nach § 475 StPO.

 

Das Recht der Akteneinsicht hat in den letzten Jahren immer wieder –teils umfassende- Änderungen erfahren, so dass bei weiteren Recherche und Prüfung auf eventuell zwischenzeitlich eingetretene Änderungen zu achten ist (vgl. das Gesetz zur Fortentwicklung der Strafprozessordnung und zur Änderung weiterer Vorschriften vom 25.06.2021 (BGBl. S. 2099) mit dem u.a. der § 406e und der § 479 StPO geändert wurden und das Gesetz zur Änderung des BND-Gesetzes zur Umsetzung der Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts vom 19.04.2021 (BGBl. S. 711) vom 19.04.2021 mit dem u.a. der § 474 StPO Änderungen erfuhr. Dabei sollte auch beachtet werden, dass hierdurch die Regelungen der Nr. 182 bis 189 RiStBV überholt sind und nur entsprechende Anwendung finden können.).

 

Bei der Akteneinsicht durch Dritte ist zunächst nach dem Antragsteller zu unterscheiden, da der für Justizbehörden und andere öffentlichen Stellen geltende § 474 StPO andere Voraussetzungen an die Gewährung stellt als der für Privatpersonen und sonstige Stellen geltende § 475 StPO. Im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 15.04.2005 – 2 BvR 465/05, NStZ 2005, 242), muss sowohl bei Gesuchen gemäß § 474 als auch bei Solchen gemäß § 475 StPO eine Anhörung des betroffenen Beschuldigten sowie ggf. weiterer Personen im Vorfeld durchgeführt werden (so auch: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 480 Rn. 2a.). Die neuere Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 08.10.2021 – 1 BvR 2192/21, Rn. 16, www.bverfg.de.) stellt dabei klar, dass eine rein formelle Anhörung nicht ausreichend ist. Die für den Antrag auf Akteneinsicht vorgetragenen Gründe sind dem betroffenen Beschuldigten darzulegen. Weiter gilt für diese Fälle, dass gemäß § 480 Abs. 2 Satz 1 StPO beigezogene Akten, die nicht Aktenbestandteil sind, nur mit Zustimmung der aktenführenden Stelle übermittelt oder zur Einsicht vorgelegt werden dürfen. Nachweispflichtig für diese Zustimmung ist insoweit der Antragsteller.

 

„Justizbehörden“ in § 474 Abs. 1 StPO sind solche im funktionalen Sinne, beispielsweise auch die –strafverfolgend tätige- Polizei. Im Hinblick auf Akteneinsichtsgesuche anderer öffentlicher Stellen ist zu beachten, dass gemäß § 474 Abs. 2 StPO grundsätzlich nur Auskünfte zu erteilen sind. Nur wenn die Erteilung von Auskünften einen unverhältnismäßigen Aufwand verursacht oder die Notwendigkeit der Akteneinsicht durch die beantragende Stelle dargelegt wird, kann diese gemäß § 474 Abs. 3 StPO  –im Regelfall durch Übersendung der Akten, § 474 Abs. 5 StPO- gewährt werden. Versagungsgründe können nach § 479 Abs. 1 StPO entgegenstehende Zwecke des Strafverfahrens, die Gefährdung des Untersuchungszwecks oder besondere bundes- oder landesgesetzlichen Verwendungsregeln darstellen.

 

Hinsichtlich der Zuständigkeit für die Entscheidung über die Erteilung von Auskünften oder Akteneinsicht ergeben sich wegen § 480 Abs. 1 StPO keine Besonderheiten gegenüber der Gewährung von Akteneinsicht an den Beschuldigten oder Verletzten. Zuständig ist auch in diesen Fällen im vorbereitenden Verfahren sowie nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens die Staatsanwaltschaft.

 

Privatpersonen und sonstige Stellen können über einen Rechtsanwalt Auskünfte aus den Akten erhalten, wenn sie hierfür ein berechtigtes Interesse darlegen. Ähnlich der Regelung des § 406e Abs. 2 Satz 1 StPO können die Auskünfte versagt werden, wenn ein schutzwürdiges Interesse des Beschuldigten der Gewährung entgegensteht. Anders als in Fällen des § 406e Abs. 2 Satz 1 StPO bedarf es jedoch keiner darüberhinausgehenden Abwägung (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Auflage 2021, § 475 Rn. 3).

 

Auch im Falle des § 475 StPO ist die Gewährung von Akteneinsicht die Ausnahme gegenüber der Erteilung von Auskünften.

 

Da § 479 Abs. 1 StPO auf den § 475 StPO verweist, sind die dort normierten weiteren Versagungsgründe auch in diesen Fällen zu prüfen.

 

Von besonderer Bedeutung ist insoweit auch die Regelung des § 479 Abs. 3 StPO, wenn der Beschuldigte freigesprochen, die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt, oder das Verfahren eingestellt wurde, oder die Verurteilung nicht in ein Führungszeugnis aufgenommen wird und seit Rechtskraft der Entscheidung mehr als zwei Jahre verstrichen sind (vgl. auch § 32 BZRG.), ist neben den allgemeinen Voraussetzungen an die Erteilung von Auskünften bzw. die Gewährung von Akteneinsicht auch die Glaubhaftmachung eines rechtlichen Interesses an der Information zu fordern. Selbst wenn diese Voraussetzungen vorliegen, sind Auskünfte und Einsicht zu versagen, wenn der frühere Beschuldigte ein schutzwürdiges Interesse an der Versagung hat.

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