Zur Wohnungseigenschaft von Wohnmobilen und Wohnwagen - Hinweis auf BGH vom 11.10.2016 - 1 StR 462/16 -

Nachdem die kurze Besprechung interessanter Entscheidungen hier eine gewisse Tradition hat, soll diese mit einer -insbesondere für Studierende und Referendare- interessanten Entscheidung des Bundesgerichtshofes fortgeführt werden (Beschluss des 1. Strafsenats vom 11.10.2016 - 1 StR 462/16 -, hier zitiert nach bundesgerichtshof.de).

 

Mit dieser Entscheidung positioniert sich der Bundesgerichtshof zu der Frage, ob auch Wohnmobile und Wohnwagen als Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB anzusehen ist.

 

Der erste Strafsenat bejaht dies und führt konkret dazu aus:

 

"Ausgehend vom Schutzzweck der Norm können auch Wohnmobile und Wohnwagen Wohnung im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB sein."

 

Begründet wird dies damit, dass auch Wohnwagen und Wohnmobile zumindest "im Zeitraum ihrer Nutzung als Unterkunft eine räumliche Privat- und Intimsphäre vermitteln" (BGH, aaO, Rn. 12). Wie sich bereits aus der Gesetzesbegründung zum 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 178) ergäbe, sei der Grund für die Behandlung des Wohnungseinbruchdiebstahls als Qualifikation des Diebstahls mit einer Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten "nicht etwa der besondere Schutz von in einer Wohnung – und damit besonders sicher - aufbewahrten Gegenständen, sondern die mit einem Wohnungseinbruch einhergehende Verletzung der Privatsphäre des Tatopfers (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2001 – 4 StR 94/01, BGHR StGB § 244 Abs. 1 Nr. 3 Wohnung 1; Beschluss vom 24. April 2008 – 4 StR 126/08, NStZ 2008, 514; jeweils mwN)".

 

Nicht notwendig sei eine dauerhafte Nutzung zu Wohnzwecken, da der Effekt (Vermittlung von Intim- bzw. Privatsphäre) auch bei nur zeitweiser Nutzung (z.B. bei Urlaubsreisen) eintrete (BGH, aaO, Rn. 12).

 

Die Entscheidung ist nur konsequent. Da der Gesetzgeber den -besseren?- Schutz der Wohnung als Rückzugsort im Sinn hatte, erscheint es wenig sachgerecht, den Begriff der Wohnung formal eng auszulegen. Allerdings darf im Umkehrschluss kein Zweifel daran bestehen, dass eine leerstehende (unbewohnte) Wohnung den Tatbestand nicht erfüllen kann (so bereits: AG Saalfeld, Urteil vom 12. April 2005 – 635 Js 30684/04 - 2 Ds jug –, zitiert nach juris, dort Rn. 22). Insoweit kann m.E. auf die weitere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Wohnungsbegriff des § 244 Abs. 1 Nr. 3 StGB verwiesen, die z.B. auch Hotelzimmer unter den Begriff fassen will, wenn diese von Gästen gemietet sind ("von Gästen gemieteten Zimmern", BGH, Beschluss vom 03. Mai 2001 – 4 StR 59/01 –, zitiert nach juris, dort Rn. 9).

 

Allerdings führt die, auch in der aktuellen Entscheidung fortgesetzte Herangehensweise zu nicht unerheblichen Unsicherheiten (so auch für gemischt genutzte Gebäude: Fischer, StGB, 61. Auflage, § 244, Rn. 48, der zutreffend darauf hinweist, dass "mit der am individuellen Schutzbedürfnis ansetzenden Einschränkung" "eine Anwendungsunsicherheit" entsteht, "die sich durch allgemeine Regeln objektiv nur schwer begrenzen lässt"). Dies führt insbesondere im Bereich des Vorsatzes zu Problemen, da wenn sich ein Täter nicht vorstellt in einen, unter den Wohnungsbegriff zu subsumierenden Raum einzubrechen/einzusteigen, eine Strafbarkeit wegen Wohnungseinbruchdiebstahls mangels Vorsatz entfallen muss. Dabei stellt sich bereits die Frage, was sich ein Täter vorstellen müsste, da u.U. ja auch Kellerräume und Garage vom Einzelnen zur Selbstentfaltung und als Rückzugsort genutzt werden. Eine umfassende Auseinandersetzung mit dieser Problematik ist jedoch nicht für einen Blog-Eintrag geeignet und muss deshalb einer wissenschaftlichen Abhandlung vorbehalten bleiben.

 

Abschließend noch ein kleiner Hinweis auf die Fehlbarkeit auch des Bundesgerichtshofes. Wie der Kollege Burhoff in seinem Blog bereits bemerkt hat, ist dem Gericht ein offensichtlicher Fehler unterlaufen.

 

In dem Beschluss (zitiert nach bundesgerichtshof.de, dort Rn. 9) heißt es (noch?):

 

"Der Wohnungseinbruchdiebstahl wurde mit dem 6. Gesetz zur Reform des Strafrechts (6. StrRG) vom 26. Januar 1998 (BGBl. I S. 164, 178) aus dem Katalog der Regelbeispiele des § 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StGB aF herausgenommen und zum Qualifikationstatbestand aufgewertet. Der Einbruchdiebstahl aus Wohnungen ist seither gegenüber den übrigen Einbruchdiebstählen mit einer im Mindestmaß doppelt so hohen Strafe bedroht und kann nicht mehr mit Geldstrafe geahndet werden. Das Geringfügigkeitsprivileg des § 243 Abs. 2 StGB findet auf Wohnungseinbruchdiebstähle keine Anwendung mehr. Eine Regelung für minder schwere Fälle sieht § 244 StGB nicht vor."

 

Dies ist unzutreffend. Der § 244 Abs. 3 StGB sieht eine Regelung für minder schwere Fälle vor. Entgegen eines Vorschlags des Bundesrats (BT-Drs. 17/4143, S. 10: "Ein Bedürfnis für die Einführung eines minder schweren Falles für alle Fälle des § 244 Absatz 1 StGB ist nicht ersichtlich und wird auch in der Entwurfsbegründung nicht dargelegt.") wurde die angedachte Beschränkung der Möglichkeit zur Annahme eines minder schweren Falles auf Fälle des § 244 Abs. 1 Nr. 1 a) 2. Alt. StGB nicht in das Gesetz übernommen, so dass auch ein minder schwerer Fall des Wohnungseinbruchdiebstahls möglich ist.

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