Internal Investigations - Die betriebsinterne Aufklärung von Straftaten

Wie schon im Beitrag zum Whistleblowing angedeutet, ist auch die betriebsinterne Aufklärung möglicher Straftaten eine zunehmende Herausforderung für Unternehmen beinahe jeder Größe.

 

Dabei handelt es sich in den meisten Fällen nicht um eine eigenständige Maßnahme, sondern vielmehr um einen Teil eines Criminal Compliance-Systems (so auch: Taschke/Zapf, Überlegungen zu einer Ethik interner Untersuchungen in: Kempf/Lüderssen/Volk, Unternehmenskultur und Wirtschaftsstrafrecht, S. 181ff.). Hierbei ist jedoch zu beachten, dass anders als bei der klassischen Criminal Compliance das Augenmerk nicht auf der präventiven Verhinderung von Straftaten im Unternehmen, sondern vielmehr auf der Aufklärung bereits begangener Taten liegt (vgl. Momsen, Internal Investigations zwischen arbeitsrechtlicher Mitwirkungspflicht und strafprozessualer Selbstbelastungsfreiheit in: ZIS 06/2011, S. 511, hier abrufbar).

 

Die Art und Weise des Herangehens an eine solche Untersuchung und ihr jeweiliger Zweck / ihre Ausrichtung können derart vielfältig sein, dass im Rahmen dieses Beitrags von einer Darstellung abgesehen wird. Im Folgenden soll jedoch versucht werden, einige Probleme bei der betriebsinternen Aufklärung von, durch Arbeitnehmer begangenen Straftaten zu umreißen.

ZUr Notwendigkeit interner Ermittlungen

Eine allgemeingesetzliche Pflicht zur Durchführung interner Ermittlungen existiert nicht (vgl. Taschke/Zapf, aaO, S. 184). Ebenso wenig ist ein Unternehmen verpflichtet Strafanzeige zu stellen und Strafverfolgungsbehörden zu informieren (Minoggio, Unternehmensverteidigung, 3. Auflage 2016, § 2, Rn. 157). Insoweit verhält es sich wie im Bereich des Whistleblowing. Allenfalls im Bereich der Finanzwirtschaft finden sich auf spezielle Fallkonstellationen ausgerichtete Regelungen, die darüber hinaus jedoch keine Bedeutung besitzen (so auch: Momsen, aaO, S. 511).

 

Dies bedeutet jedoch nicht, dass derartige Untersuchungen nicht notwendig sein können.

 

So kann sich beispielsweise ein Arbeitgeber schadensersatzpflichtig machen, wenn er einen Arbeitnehmer anzeigt, ohne vorher den Sachverhalt betriebsintern zu ermitteln (so zur Erstattung von Rechtsanwaltskosten: Arbeitsgericht Köln, Urteil vom 06. November 2014 - 11 Ca 3817/14 –, zitiert nach juris, dort Rn. 26).

 

Daneben besteht die allgemeine Pflicht für Führungsverantwortliche in Unternehmen sich einen Überblick über alle betrieblichen Vorgänge zu verschaffen und zu bewahren (so auch: Böttcher/Minoggio, WiPra, Kap. 15, Rn. 1). Diese Informationspflichten erhöhen sich bei Gefahrenlagen oder Verdachtsmomenten. Wie sich aus der "Lederspray"-Entscheidung des Bundesgerichtshofes (Urteil vom 06. Juli 1990 – 2 StR 549/89 –, BGHSt 37, 106-135, hier zitiert nach juris) ergibt, besteht auch auf strafrechtlichem Gebiet eine "Allzuständigkeit der Geschäftsführung" (so: Minoggio, (in WiPra) aaO, Rn. 2), die sogar Ressortzuständigkeiten entfallen lassen kann. Dies gilt nach Auffassung des Bundesgerichtshofes z.B. auch für den Aufsichtsrat, der verpflichtet ist, "die Feststellung des -den Vorstand- (eigene Anmerkung) zum Schadensersatz verpflichtenden Tatbestandes in tatsächlicher wie rechtlicher Hinsicht" vorzunehmen hat ("ARAG-Garmenback-Entscheidung", BGH, Urteil vom 21. April 1997 – II ZR 175/95 –, BGHZ 135, S. 244-257, hier zitiert nach juris). Darüber hinaus kann auch den Leiter der Innenrevision oder Compliance-Beauftragten eine Verantwortlichkeit für Straftaten durch Unternehmensangehörige treffen (BGH, Urteil vom 17. Juli 2009 – 5 StR 394/08 –, BGHSt 54, 44-52, hier zitiert nach juris; Diese Entscheidung wird auch in diesem Beitrag besprochen).

 

In der Folge liegt es im eigenen Interesse von Führungsverantwortlichen und ggf. auch Ressortleitern ihren Informations-, Kontroll- und Leitungspflichten gemäß eine Aufklärung zu betreiben und die jeweiligen Konsequenzen zu ziehen. Als Stichwort eignet sich hier "Hinweisen nachgehen". Eine fehlende Aufklärung kann -wie angedeutet- sowohl eine zivilrechtliche (Schadensersatz) als auch eine strafrechtliche Haftbarkeit der Führungsverantwortlichen begründen.

 

Abzulehnen ist jedoch eine bloße Anwendung der u.s. amerikanischen Regelungen, beispielsweise nach dem Sarbanes-Oxley-Act (SOA), da sich dieses erstens ausschließlich am u.s. amerikanischen Rechtskreis orientiert und somit unüberbrückbare Differenzen zum deutschen Recht aufweist und zweitens ausschließlich in den U.S.A. börsennotierte Unternehmen betrifft (ebenfalls kritisch: Minoggio, Unternehmensverteidigung, § 2, Rn. 98ff.).

 

Eine Aufklärung um der Aufklärung Willen ist in jedem Fall zu vermeiden, besteht doch auch das Risiko, dass die Ergebnisse der Untersuchung -ungewollt- den Strafverfolgungsbehörden in die Hände fallen und sich so nachteilig auf das Unternehmen auswirken (dazu unten).

Arbeits- und strafrechtliche Grenzen interner Ermittlungen

Nachdem die Notwendigkeit interner Untersuchungen ersichtlich sein dürfte, stellt sich nunmehr die Frage nach der konkreten Ausgestaltung einer solchen Untersuchung. Besondere Bedeutung hat dabei die Befragung oder Anhörung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber bzw. von ihm Beauftragte, z.B. Rechtsanwälte. Dabei stehen sich zwei wesentliche Rechtsgrundsätze gegenüber.

 

Zum einen ist der Arbeitnehmer aufgrund seiner arbeitsvertraglichen Treuepflicht grundsätzlich zur Mitwirkung verpflichtet (so auch: Taschke/Zapf, aaO, S. 197, die zutreffend darauf hinweisen, dass dies mit dem Bundesarbeitsgericht auch aus dem Arbeitgeberweisungsrecht hergeleitet werden kann). Wie weit diese Mitwirkungspflicht geht, ist nicht abschließend geklärt. Jedenfalls muss der Arbeitgeber ein berechtigtes und schützenswertes Interesse an der Beantwortung der Fragen haben (Momsen, aaO, S. 511; Taschke/Zapf, aaO, S. 197). Die Befragung darf sich außerdem nicht als eine übermäßige Belastung des Arbeitnehmers darstellen (BAG, Urteil vom 23. Juni 2009 – 2 AZR 606/08 –, zitiert nach juris). Liegen diese Voraussetzungen vor, kann der Arbeitgeber die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung der gestellten Fragen vor.

 

Zum anderen stehen dem Arbeitnehmer -zumindest in einem Strafverfahren- verschiedene Rechte zu, die dem entgegenstehen. So steht dem Arbeitnehmer, wie jedem Beschuldigten, ein umfassendes Schweigerecht zu, welches sich aus dem Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit ergibt.

 

Es gilt diesen Widerspruch aufzulösen wobei insbesondere die Frage zu klären ist, ob die strafprozessualen Grundsätze auch im Arbeitsrecht angewendet werden müssen. Dabei kann der Umstand, dass die Informationen aus internen Ermittlungen -wie der Name schon sagt- überwiegend für die unternehmensinterne Auswertung erhoben werden, keine Rolle spielen. Dies liegt zum einen darin begründet, dass das Unternehmen zur Vermeidung einer Haftung nach § 30 OWiG gezwungen sein kann, diese Informationen an die Ermittlungsbehörden weiterzugeben und zum anderen auch eine Beschlagnahme dieser Daten bei dem Unternehmen erfolgen kann. Nach den hier dargestellten Entwicklungen in der Rechtsprechung gilt dies u.U. sogar dann, wenn sich diese bei einem vom Unternehmen beauftragten externen Rechtsanwalt befinden (für den Fall der Beschlagnahme von Unterlagen bei einem externen Ombudsmann für Whistleblower: LG Bochum, Urteil vom 16. März 2016 – II-6 Qs 1/16 –, zitiert nach juris). Demnach besteht ein nicht unerhebliches Weitergaberisiko (i.E. auch: Momsen, aaO, S. 512). Dieses trifft nicht nur den Arbeitnehmer, der sich selbst belastet, sondern ggf. auch das Unternehmen, welches sich durch die ungewollte Weitergabe der Untersuchungsergebnisse -zumindest im Sinne des § 30 OWiG- selbst belastet.

 

Teilweise wird angenommen, dass Auskünfte gegenüber dem Arbeitgeber, die zu einer Kündigung oder Strafverfolgung führen können, den Arbeitnehmer übermäßig belasten und demnach unzumutbar sind (Tscherwinka in: Festschrift für Imme Roxin, S. 528).

 

Andererseits wird vertreten, dass, da es sich um eine arbeitsvertragliche also privatrechtliche Auskunftspflicht des Arbeitnehmers handele, kein Aussageverweigerungsrecht bestehe (LG Hamburg, Beschluss vom 15. Oktober 2010 – 608 Qs 18/10 –, zitiert nach juris, dort Rn. 83; Knauer/Buhlmann, Unternehmensinterne (Vor-)Ermittlungen - Was bleibt von nemo-tenetur und fair Trail? in: Anwaltsblatt 6/2010, S. 389, die dies aus BGH, Urteil vom 30. April 1964 – VII ZR 156/62 –, BGHZ 41, 318-327 ableiten). Zu weiteren Begründung wird angeführt, dass anders als bei der Arbeitsleistung als Hauptpflicht, für Auskünfte des Arbeitnehmers kein Zwangsmittelverbot wie in § 888 Abs. 3 ZPO bestehe. Das bedeutet, verweigert ein Arbeitnehmer zu Unrecht die Auskunft, könnten im Wege der Zwangsvollstreckung Zwangsgeld oder Zwangshaft gegen den Arbeitnehmer angeordnet werden (so auch: Knauer/Buhlmann, aaO).

 

Nach Alledem kann mit guter Begründung von einer, von strafprozessualen Grundsätzen unabhängigen Auskunftspflicht des Arbeitnehmers ausgegangen werden.

Die Verwertbarkeit von Arbeitnehmerauskünften im Strafverfahren

Es stellt sich jedoch weiterhin die Frage, ob die vom Arbeitnehmer innerhalb einer unternehmensinternen Ermittlung erteilten Auskünfte in einem Strafverfahren gegen diesen verwertet werden dürfen.

 

Wie bereits dargestellt, kommt eine Anwendung strafprozessualer Vorschriften bei internen Ermittlungen nicht in Betracht. Demnach wird auch weitgehend eine Unverwertbarkeit der Ergebnisse interner Ermittlungen wegen des Verstoßes gegen den Grundsatz der Selbstbelastungsfreiheit abgelehnt (Taschke/Zapf, aaO, S. 198; Knauer/Buhlmann, aaO, S. 390; LG Hamburg, aaO).

 

Diese -zutreffend begründete- Ansicht führt jedoch zu unhaltbaren Zuständen, da der Arbeitnehmer so gezwungen wäre sich innerhalb einer unternehmensinternen Befragung umfassend selbst zu belasten und diese Erkenntnisse dann im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden könnten. Dies gilt trotzdem es dem Arbeitnehmer möglich wäre unter Inkaufnahme arbeitsrechtlicher Konsequenzen die Auskunft innerhalb einer Unternehmensinternen Ermittlung zu verweigern.

 

Aus diesem Grund wird zum Teil auch vertreten, dass es der "fair trial"-Grundsatz gebiete, zumindest bei einer gezielten Umgehung der prozessualen Hürden durch die Ermittlungsbehörden eine analoge Anwendung der §§ 136, 136a StPO vorzunehmen (Taschke/Zapf, aaO, S. 198; zutreffend weiter: Knauer/Buhlmann, aaO).

 

Ergänzend sei darauf hingewiesen, dass unsere Rechtsordnungen mehrere Konstellationen kennt, in denen Auskunfts- und Mitwirkungspflichten mit der Selbstbelastungsfreiheit kollidieren. Diese werden zumeist mit Verwertungs- und Verwendungsverboten kompensiert (so z.B. § 97 Abs. 1 Satz 3 InsO oder § 630c Abs. 2 Satz 3 BGB). Selbst das Steuer-(straf-)recht kennt mit § 393 Abs. 1 AO zumindest ein Zwangsmittelverbot, wenn die Mitwirkung im Besteuerungsverfahren zu einer erzwungenen Selbstbelastung führen würde. Allein deshalb erscheint es geboten, auch dem von der geschilderten Zwangslage betroffenen Arbeitnehmer entweder ein Verwertungsverbot hinsichtlich seiner, im Zuge interner Ermittlungen getätigter Aussagen oder eine dem Maßregelungsverbot des § 612a BGB entlehnte arbeitsrechtliche Aussageverweigerungsmöglichkeit zuzuerkennen. Angesichts des nicht zu leugnenden Interesses des Arbeitgebers an einer Aufklärung von Straftaten innerhalb seines Unternehmens und des ebenfalls unhaltbaren Zustands einen Schädiger in seinem Unternehmen zu beschäftigen, spricht Vieles für ein Verwertungsverbot im Strafverfahren. Zur Begründung kann auch angeführt werden, dass, spricht man sich für eine vorbehaltlose Verwertbarkeit derartiger Auskünfte im Strafverfahren aus, die Missbrauchsgefahr erheblich ist. Der Arbeitgeber könnte dann -ggf. auch motiviert durch die Ermittlungsbehörden- beispielsweise verbotene Vernehmungsmethoden im Sinne des § 136a StPO (Folter, Täuschung etc.) anwenden und die so erwirkten Aussagen wären trotzdem verwertbar.

Fazit und Versuch einer Lösung

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass der Arbeitnehmer im Rahmen einer Befragung durch den Arbeitgeber auch dann zur Auskunft verpflichtet sein dürfte, wenn er sich durch diese Erklärungen selbst einer Straftat bezichtigt. Allerdings steht nach der hier vertretenen Ansicht, der "fair trial"-Grundsatz einer Verwertung dieser Erklärungen im Strafverfahren zumindest dann entgegen, wenn diese unter weitergehender Missachtung von Beschuldigtenrechten abgegeben wurde. Insoweit muss gelten, dass wer selbst ermittelt auch die für Ermittlungsbehörden geltenden Vorschriften einzuhalten hat.

 

In der Folge muss auf Befragungen von Arbeitnehmern nicht verzichtet werden. Allerdings dürfte es geboten sein, die Mitarbeiter mit der gebotenen Zurückhaltung und unter Hinweis auf die Rechtslage zu befragen. Dazu gehört auch der Hinweis, dass die Erklärungen ggf. in einem Strafverfahren verwendet werden könnten und dort ein Schweigerecht besteht. Dass keine verbotenen Vernehmungsmethoden angewendet werden dürfen, versteht sich von selbst.

 

Diesen Beitrag können Sie hier auch als .pdf-Dokument herunterladen:

 

Aufsatz - Internal Investigations - Die betriebsinterne Aufklärung von Straftaten

 

Kommentar schreiben

Kommentare: 0