Whistleblowing - das "Verpfeifen" des Arbeitgebers

...auch ein Beispiel für eine Aufforderung zum Whistleblowing...
...auch ein Beispiel für eine Aufforderung zum Whistleblowing...

Nachdem durch Eward Snowden, Bradley Manning oder die "Enthüllungsplattform" Wikileaks der Begriff des Whistleblowing eine große mediale Aufmerksamkeit erhalten hat, ist vermehrt zu beobachten, dass der Gesetzgeber sowie private Unternehmen diesem Verhalten einen rechtlichen Rahmen geben wollen.

 

Auch die firmen- oder behördeninterne Aufklärung von Missständen und Straftaten erfreut sich zunehmender Beliebtheit. Der Begriff "internal investigations" geistert durch die Fachpresse und die Fortbildungen für Compliance Officer, Vorstände und Manager.

 

Dabei ist das Veröffentlichen oder Anzeigen von Missständen, Straftaten oder "Skandalen" bei Weitem keine neue Entwicklung. Schon 1929 mussten sich die Redakteure und der Herausgeber, Carl von Ossietzky der "Weltbühne" in einem Prozess wegen des Verrats von Militärgeheimnissen verantworten. Hintergrund war die Veröffentlichung von Artikeln, die die erneute Aufrüstung der Reichswehr und damit einen Verstoß gegen den Versailler Vertrag aufdeckten. Auch im wirtschaftlichen Bereich ist diese Praxis keine neue Entwicklung. So beobachte der LKW Fahrer Miroslaw Strecker 2007 wie Fleischabfälle zu Lebensmitteln umetikettiert wurden und zeigte dies bei den Behörden an. Er deckte so den sogenannten Fleischskandal auf.

Begriff und Rechtsgrundlagen

Whistleblowing, englisch von "blowing the whistle" für das Blasen der Pfeife meint i.E. das Veröffentlichen bzw. Verbreiten von Informationen aus einem geheimen oder geschützten Zusammenhang. Eigentlich muss, wenn man vom Effekt des Pfeifens ausgeht, Whistle-Blowing mit dem Erregen von Aufmerksamkeit für einen -meist zumindest potentiell illegalen- Vorgang übersetzt werden.

 

Eine allgemeine Rechtsgrundlage für dieses Verhalten gibt es nicht. Es besteht insbesondere keine Pflicht zur Anzeige von Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten. Die einzige allgemeingesetzliche Ausnahme bildet § 138 StGB, der die Nichtanzeige geplanter Straftaten betrifft. Allerdings erfasst die Norm nur schwere Straftaten wie z.B. die Vorbereitung eines Angriffskrieges, Mord oder Raub.

 

Allerdings gibt es zunehmend spezialgesetzliche Regelungen, die Anzeigepflichten normieren.

 

So regelt § 11 des Geldwäschegesetzes die Verpflichtung dem Bundeskriminalamt Verdachtsfälle in Bezug auf Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung anzuzeigen. Diese Verpflichtung trifft die in § 2 Geldwäschegesetz aufgezählten Personengruppen. Weitere Informationen zum Thema Geldwäsche finden Sie hier.

 

Auch im Arbeitsschutzgesetz und im Wertpapierhandelsgesetz finden sich Regelungen die Meldepflichten vorsehen. Der § 10 WpHG sieht beispielsweise vor, dass Wertpapierdienstleistungsunternehmen, andere Kreditinstitute, Kapitalverwaltungsgesellschaften und Betreiber von außerbörslichen Märkten, an denen Finanzinstrumente gehandelt werden Verstöße gegen die in § 10 Abs. 1 WpHG aufgezählten Verordnungen der BaFin melden müssen. Gleichzeitig schützt die Regelung den Meldenden indem § 10 Abs. 3 WpHG es verbietet den Anzeigenden wegen der Anzeige verantwortlich zu machen. Im Arbeitsschutzrecht haben Beschäftigte dem Arbeitgeber oder dem zuständigen Vorgesetzten jede von ihnen festgestellte unmittelbare erhebliche Gefahr für die Sicherheit und Gesundheit sowie jeden an den Schutzsystemen festgestellten Defekt unverzüglich zu melden (§ 16 Abs. 1 ArbSchG).

 

Nach Alledem ist ersichtlich, dass es neben einer allgemeinen Anzeigepflicht auch an einem einheitlichen Adressat einer Meldung fehlt. Während bei der Geldwäsche und im Wertpapierhandelsrecht die Meldung bei Behörden zu machen ist, sieht das Arbeitsschutzrecht eine Meldung innerhalb des Unternehmens vor.

Konsequenzen einer Strafanzeige gegen den Arbeitgeber

Im Folgenden soll auf den -wohl häufigsten- Fall des Whistleblowing, die Strafanzeige des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber eingegangen werden.

 

Aus strafrechtlicher Sicht begegnet dieses Vorgehen zunächst nur wenigen Bedenken. Die Anzeige wider besseren Wissens ist als falsche Verdächtigung im Sinne des § 164 StGB strafbar. Daneben kann die Veröffentlichung von Betriebsinterna u.U. als Verletzung von Privatgeheimnissen im Sinne des § 203 StGB oder als Verrat von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen nach § 17 UWG strafbar sein. Dies wird im Regelfall dann in Betracht kommen, wenn eine Anzeige nicht gegenüber Ermittlungsbehörden stattfindet sondern als Hinweis an die Presse oder gar an Konkurrenten erfolgt. Allerdings kann eine Strafanzeige gegen den Arbeitgeber unabhängig von deren Wahrheitsgehalt die Verletzung einer arbeitsvertraglichen Pflicht durch den Arbeitnehmer darstellen, die in bestimmten Fallkonstellationen auch eine außerordentliche Kündigung durch den Arbeitgeber begründen kann.

 

Die ältere arbeitsgerichtliche Rechtsprechung hat dies regelmäßig bejaht. So entschied das Landesarbeitsgericht Düsseldorf:

 

"Teilen Arbeitnehmer-Kraftfahrer einem Gewerkschaftssekretär mit, dass die Kfz auf Anordnung des Arbeitgebers stets überladen werden, und geben sie dazu die Kennzeichen der Fahrzeuge und die nächste Fahrtstrecke an, so dass die Fahrzeuge auf eine Anzeige des Gewerkschaftssekretärs hin polizeilich kontrolliert werden und der Arbeitgeber bestraft wird, so handeln die Arbeitnehmer treuwidrig; der Arbeitgeber ist zur Kündigung berechtigt." (Landesarbeitsgericht Düsseldorf, Urteil vom 23. Oktober 1959 – 5 Sa 358/58 –, zitiert nach juris)

 

Diese Rechtsprechung wurde noch lange gehalten. So entschied das Arbeitsgericht Berlin noch 1990, dass eine verhaltensbedingte Kündigung gerechtfertigt ist, wenn der Arbeitnehmer gegen seinen Arbeitgeber wegen eines Verdachts ein behördliches Verfahren einleitet, ohne ihn vorher zu informieren und ihm von seinem Verdacht Kenntnis zu geben (Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 20. Mai 1990 - 18 Ca 47/90).

 

Nunmehr wird differenziert. Nachdem das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Bejahung eines Kündigungsgrundes, weil der Arbeitnehmer im Rahmen eines staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahrens gegen seine Arbeitgeberin beziehungsweise deren Geschäftsführer als Zeuge ausgesagt und der Staatsanwaltschaft Unterlagen übergeben hatte, mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren ist (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 02. Juli 2001 – 1 BvR 2049/00 –, zitiert nach juris) ist eine Kündigung wegen einer Strafanzeige zwar nicht ausgeschlossen, doch liegen die Anforderungen hieran sehr hoch. Trotzdem hat das Bundesarbeitsgericht nach der zitierten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass "eine vertragswidrige Pflichtverletzung ist nicht ausnahmslos dann zu verneinen ist, wenn der Arbeitnehmer eine Anzeige, ohne wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben zu machen, beiden Strafverfolgungsbehörden erstattet. Das BVerfG habe in der Entscheidung vom 2. Juli 2001(Az: 1 BvR 2049/00 = AP Nr 170 zu § 626 BGB) einen solchen Rechtssatz nicht aufgestellt. Es habe lediglich für den "Regelfall" ausgeführt, auch bei einer "freiwilligen" Einschaltung der Staatsanwaltschaft durch den Arbeitnehmer dürfe sein Handeln aus rechtsstaatlichen Gründen nicht zu einem wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung führen. Wie schon die Formulierung "im Regelfall" zeige, seien - auch - von Verfassungs wegen weitere Ausnahmefälle denkbar, in denen eine Kündigung auch dann möglich ist, wenn die vom BVerfG selbst formulierte Einschränkung der wissentlich oder leichtfertig gemachten falschen Angaben nicht eingreift" (BAG, Urteil vom 03. Juli 2003 – 2AZR 235/02 –, BAGE 107, 36-49, hier zitiert nach juris).

 

"Die vertragliche Rücksichtnahmepflicht ist dahin zu konkretisieren, dass sich die Anzeige des Arbeitnehmers nicht als eine unverhältnismäßige Reaktion auf ein Verhalten des Arbeitgebers oder seines Repräsentanten darstellen darf" (BAG, aaO, 2. Orientierungssatz).

 

Daraus kann gefolgert werden, dass auch wenn eine "einfache" Strafanzeige keinen Kündigungsgrund darstellen wird, insbesondere das "Anschwärzen" des Arbeitgebers und das Veröffentlichen von verdachtsbegründenden Umständen z.B. in der Presse weiterhin als Kündigungsgrund in Betracht kommt.

 

Und auch wenn ein genereller Vorrang der innerbetrieblichen Klärung nicht existiert (so auch: BAG, aaO, 3.Orientierungssatz), wird diese Möglichkeit in der Rechtsprechung in die Abwägung einbezogen. Eindrucksvoll formuliert insoweit das Landesarbeitsgericht Köln in dem es ausführt:

 

"Anzeigen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber bei staatlichen Stellen können im Einzelfall eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses begründen (BAG, 04. Juli 1991 – 2 AZR 80/91 – RzK I 6 a Nr. 74; KR-Fischermeier, BGB, § 626 RdNr.89). Entscheidend ist dabei, aus welcher Motivation der Arbeitnehmer die Anzeige vornimmt, und ob darin eine verhältnismäßige Reaktion des Arbeitnehmers auf das Verhalten des Arbeitgebers liegt (BAG 04. Juli 1991 – 2 AZR 80/91 – RzK I 6 a Nr. 74; BAG 18.06.1970 – 2 AZR 369/69 – AP-Nr. 82 zu § 1 KSchG; KR-Fischermeier, BGB, § 626 RdNr. 449). So hat

der Arbeitnehmer grundsätzlich die Pflicht, sich vorrangig um eine innerbetriebliche Beilegung der Missstände zu bemühen (BAG 05. Februar 1959 – 2 AZR 60/56 – AP-Nr. 2 zu § 70 HGB; Lan-desarbeitsgericht Baden-Württemberg 29. Juni 1964 – 2 SA 12/64 – DB 1964, S. 1451; Arbeitsgericht Berlin 29. Mai 1990 – 18 Ca 47/90 – EzA Nr. 31 zu § 1 KSchG Verhaltensbe-dingte Kündigung; Kretzel, KSchG, § 1 RdNr. 449; Hueck/v. Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 RdNr. 312). Zudem ist zu beachten, ob die erhobenen Vorwürfe der Wahrheit entsprechen oder nicht (EK-Müller-Glöge, BGB, § 626 RdNr. 89; KR-Etzel, KSchG, § 1 RdNr. 450)" (Landesarbeitsgericht Köln, Urteil vom 03. Mai 2000 – 2 Sa 78/00 –, zitiert nach juris, dort Rn. 46).

 

Ein Vorrang innerbetrieblicher Klärung kann sich jedoch aus einer arbeitsvertraglichen Vereinbarung ergeben wobei darauf zu achten ist, dass die Rechte des Arbeitnehmers gewahrt bleiben. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Selbstbelastungsfreiheit und andere Zeugnisverweigerungsrechte.

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