Ehebruch, Erregung eines geschlechtlichen Ärgernisses und die Unzucht - Ein Vergleich heutiger Verhältnisse mit dem Sexualstrafrecht der 1950er Jahre

Das Sexualstrafrecht stellt einen, im Bereich des ohnehin nur äußerst restriktiv einzusetzenden Strafrechts, besonders sensiblen Bereich dar.

 

Dennoch ist es eine fragwürdige Tradition des Gesetzgebers je nach gesellschaftlicher Stimmung und moralischer Lage immer wieder tiefgreifend und mit teils fragwürdiger Begründung in die sexuelle Selbstbestimmung einzugreifen.

 

Neben der -zweifelsohne nicht zu rechtfertigenden- Strafbarkeit homosexueller Handlungen zwischen Männern (§§ 175, 175a StGB a.F.) hat der damalige Gesetzgeber in der Vergangenheit auch sein Frauenbild unmissverständlich zum Ausdruck gebracht und den Frauen in weiten Teilen das Recht auf sexuelle Selbstbestimmung aberkannt. Dies zeigt sich insbesondere an der fehlenden Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe. Diese wurde erst mit dem 33. Strafrechtsänderungsgesetz vom 1. Juli 1997 eingeführt und war, insbesondere bei den Abgeordneten von CDU und CSU, weiterhin umstritten (BGBl I 1997, 1607, hier zu lesen).

Ausgewählte Straftatbestände

Der Ehebruch

Überhaupt fällt bei Lektüre entsprechender Literatur aus dieser Zeit (z.B. Stottmann, Strafrecht in Wort und Bild, 2. Auflage, 1954) auf, dass der Gesetzgeber immer wieder zwischen sexuellen Handlungen innerhalb und außerhalb einer bestehenden Ehe unterschieden hat.

 

Schon der Ehebruch, der erst 1969 aus dem Strafgesetzbuch gestrichen wurde, fand in § 172 StGB eine gesetzliche Regelung. Diese lautete:

 

"Der Ehebruch wird, wenn wegen desselben die Ehe geschieden ist, an dem schuldigen Ehegatten, sowie dessen Mitschuldigen mit Gefängnis bis zu 6 Monaten bestraft."

 

Bereits vor der Streichung bestanden in der Rechtsprechung erhebliche Bedenken an der Anwendung dieser Norm. So führte das Landgericht Frankenthal (Urteil vom 6. 3. 1968 - 5 Ms 9/67, NJW 1968, 1685) dazu aus:

 

"Die Kammer hat Bedenken, ob die Strafbarkeit des Ehebruchs noch gerechtfertigt ist. Sie befindet sich dabei in Übereinstimmung mit gewichtigen Stimmen der richterlichen Praxis (Dr. Koffka, Der Ehebruch in der Strafrechtsreform, abgedr. in: Sexualität und Verbrechen, Fischer-Bücherei Bd. 518/19; Baldus, Niederschriften über die Sitzung der Großen Strafrechtskommission Bd. VIII, S. 366 [in folgendem: Niederschriften]; Dünnebier, Niederschriften, Bd. VIII. S. 456 f.), der Literatur (Kohlrausch-Lange, Komm. z. StGB [43. Aufl. 1961], § 170 c Anm. I; Maurach, Deutsches Strafrecht, Bes. Teil [3. Aufl. 1959], S. 361; Hellmer, ZStrW Bd. 70 [1958] S. 385 u. 387; Müller-Freienfels, Ehe und Recht, Mohr [Paul Siebeck] Tübingen 1962, S. 109), der Auffassung des Bundesministeriums der Justiz und dem Strafrechtsausschuß der Bundesrechtsanwaltskammer (Wagner, Ehebruch, Eidesnotstand und Zeugnisverweigerungsrecht, MDR 59, 807 Sp. 1). Das Gericht ist der Meinung, daß bei der Bestrafung des Ehebruchs die Möglichkeiten des Strafrechts überschritten sind und der Strafrichter zum Sittenrichter wird."

Die Erschleichung des außerehelichen Beischlafs

Die abnorme Privilegierung der Ehe abseits jedes sinnvollen Schutzes relevanter Rechtsgüter setzt sich in der Regelung des § 179 StGB fort. Diese stellt die "Erschleichung des außerehelichen Beischlafes" unter Strafe und ist als Verbrechenstatbestand ausgestaltet. Hiernach wird bestraft, "wer eine Frau zur Gestattung außerehelichen Beischlafs dadurch verleitet, dass er eine Trauung vorspiegelt, oder einen anderen Irrtum in ihr erregt oder benutzt, in welchem sie den Beischlaf für einen ehelichen hielt, wird mit Zuchthaus bis zu fünf Jahren bestraft."

 

Die Kommentierung (Stottmann, aaO, S. 202) gibt als Beispiel den Fall, dass ein Mann eine Frau zu einem fingierten Standesbeamten bringt, der dann eine Trauung vortäuscht. 

 

Der Tatbestand ist ähnlich dem des Betruges aufgebaut und könnte demnach als eine Art "Erschleichen von Leistungen" angesehen werden.

Missbrauchstatbestände

Auch bei den Missbrauchstatbeständen ist eine Unterscheidung zwischen Taten die innerhalb und außerhalb einer bestehenden Ehe festzustellen. So war es wegen der Formulierung des § 176 StGB a.F. nicht möglich eine willen- oder bewusstlose Frau innerhalb einer bestehenden Ehe zu missbrauchen. Nach dieser Vorschrift kann nur eine Frau missbraucht werden. Ein Mann, der sich -wie sich § 175 StGB a.F. sich ausdrückt- missbrauchen lässt, ist gleichwohl strafbar.

 

Im Übrigen sind die Missbrauchstatbestände mit denen der heutigen Regelungen durchaus vergleichbar. So war auch der sogenannte Missbrauch Schutzbefohlener (eigentlich: Sexueller Missbrauch unter Ausnutzung eines Beratungs-, Behandlungs- oder Betreuungsverhältnisses, § 174c StGB) bereits in § 174 StGB geregelt.

 

Ein besonderer, heute nicht mehr existenter Straftatbestand, ist die Verführung zum Beischlaf nach § 182 StGB. Danach macht sich strafbar, "wer ein unbescholtenes Mädchen, welches das sechzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat, zum Beischlaf verführt."

 

Unbescholten ist ein Mädchen, wenn es in Bezug auf seine Geschlechtsehre frei von Tadel ist. Hat das Mädchen einem Mann den Beischlaf gestattet oder auch nur "unzüchtige Handlungen" an sich vornehmen lassen, gilt sie nicht mehr als unbescholten (Stottmann, aaO, S. 205). Als Verführung wurde der Missbrauch der geschlechtlichen Unerfahrenheit angesehen, so dass hier Parallelen zu dem heutigen sexuellen Missbrauch von Kindern nach den §§ 176, 176a StGB bestehen wobei von diesen nur Kinder (Personen unter 14 Jahren) erfasst werden.

Kuppelei

Abschließend noch ein paar Ausführungen zur Kuppelei nach § 180 StGB, der dem Wesen nach noch heute an gleicher Stelle existiert.

 

Damals erforderte eine Strafbarkeit das gewohnheitsmäßige oder eigennützige Vorschubleisten von Unzucht durch die Vermittlung, Gewährung oder Verschaffung der Gelegenheit zu derartigen Handlungen. Eine Altersbeschränkung war nicht vorhanden.

 

Da der Begriff der Unzucht nicht nur die Vollziehung des Beischlafs, sondern alle Fälle in denen der Täter mit seiner auf die Erregung oder Befriedigung der eigenen oder der fremden Geschlechtslust gerichteten Handlung das allgemeine Scham- und Sittlichkeitsgefühl in geschlechtlicher Beziehung verletzt, erfasst (BGH Urt. v. 13.7.1951 – 2 StR 275/51 zur Unzucht zwischen Männern), war es z.B. ausreichend, dass sexuelle Handlungen außerhalb einer bestehenden Ehe vorgenommen werden.

 

Eine strafbare Handlung konnte demnach bereits in der Vermietung eines Hotelzimmers an ein nicht verheiratetes Paar bestehen.

 

Die Frage, ob auch der Beischlaf zwischen Verlobten als Unzucht anzusehen ist, wurde verschiedentlich beantwortet und auf die Umstände des Einzelfalles, insbesondere auf das Alter und die örtlichen Umstände abgestellt (so z.B. Stottmann, aaO, S. 203). Hieran zeigt sich, dass das Sexualstrafrecht dieser Zeit ein, von Sitten und Moralvorstellungen geprägtes Recht ohne eine echte Rechtfertigung war. So sollte die Strafbarkeit u.a. davon abhängen, ob der Geschlechtsverkehr zwischen Verlobten nach den örtlichen Gegebenheiten anstößig war. Dies kann keine Grundlage für eine strafrechtliche Verfolgung sein.

 

Heute ist es nicht notwendig, dass der Täter gewohnheitsmäßig oder aus Eigennutz handelt wenngleich der § 180 Abs. 1 StGB heute eine Altersgrenze vorsieht. Die Regelung lautet:

 

"Wer sexuellen Handlungen einer Person unter sechzehn Jahren an oder vor einem Dritten oder sexuellen Handlungen eines Dritten an einer Person unter sechzehn Jahren

 

1. durch seine Vermittlung oder

 

2. durch Gewähren oder Verschaffen von Gelegenheit

 

Vorschub leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft."

 

Auch wenn es nach dieser Regelung nicht ausreichen soll, dass ein Hausschlüssel oder ein Zimmer überlassen wird, in dem es irgendwann einmal in ungewisser Zukunft zu sexuellen Kontakten des Jugendlichen kommen soll (KG 16.7.1998 – (4) 1 Ss 308/97 (126/97), NJW 1998, 3792, MüKoStGB/Renzikowski, § 180, Rn. 23) muss das Vorschubleisten nicht auf eine bestimmte sexuelle Handlung bezogen sein.

 

Es zeigt sich, dass die offensichtliche sittlich moralische Ausrichtung des Tatbestands durch das Schutzgut des Jugendschutzes ersetzt wurde wobei die -hier nicht zu erörternde- Frage im Raum steht, ob eine derartige Regelung nicht die ungestörte sexuelle Entwicklung von Jugendlichen beeinträchtigt, ohne dass dies wie bei den Missbrauchstatbeständen zum Schutz des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung notwendig ist.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0