"Dabei sein ist alles" - Schon wieder eine Reform der Strafprozessordnung

Dass der Gesetzgeber beinahe inflationär das Straf- und Strafverfahrensrecht ändert, ist nicht neu.

 

Nachdem durch das Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Gestaltung des Strafverfahrens, welches mit nicht zu unterschätzenden Einschränkungen der Beschuldigtenrechte einherging, in Kraft getreten ist, ist mit dem 04.09.2017 nunmehr auch das Zweite Gesetz zur Stärkung der Verfahrensrechte von Beschuldigten in Strafverfahren und zur Änderung des Schöffenrechts im Bundesgesetzblatt (BGBl. I 2017, S. 3295, hier abrufbar) veröffentlicht worden und damit am 05.09.2017 in Kraft getreten.

Der Inhalt der Reform (auszugsweise)

Zunächst wird dem Verteidiger des Beschuldigten nach § 58 Abs. 2 StPO explizit ein Anwesenheitsrecht bei der Gegenüberstellung eingeräumt. Nur folgerichtig ist er von dem Termin in Kenntnis zu setzen. Gegebenenfalls problematisch ist es, dass ein Anspruch auf Verlegung des Termins bei Verhinderung des Verteidigers nicht besteht (§ 58 Abs. 2 Satz 4 StPO). Zum einen wird es bei einem Verteidiger, der häufig Hauptverhandlungstermine und Besprechungen hat, dazu führen, dass er an dem Termin zur Gegenüberstellung nicht teilnehmen kann und zum anderen könnten auch die Ermittlungsbehörden dazu übergehen, den Termin kurzfristig zu bestimmen um so quasi die Wahrnehmung des Anwesenheitsrechts zu vereiteln.

 

Ebenso wird das Recht zur Benachrichtigung naher Angehöriger oder Vertrauenspersonen bei einer Verhaftung erweitert, indem nunmehr zur Versagung eine erhebliche Gefährdung des Untersuchungszwecks gefordert wird (§§ 114b Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 114c Abs. 1 StPO). Nach dem alten Recht sollte auch eine einfache Gefährdung ausreichen.

 

Zentrale Änderung sind die ergänzenden Belehrungen und das Anwesenheitsrecht des Verteidigers auch bei der polizeilichen Vernehmung.

 

So wurde dem § 136 StPO, der die erste Vernehmung des Beschuldigten betrifft und über § 163a Abs. 4 StPO auch für Vernehmungen durch Polizeibeamte gilt, wie folgt ergänzt:

 

"Möchte der Beschuldigte vor seiner Vernehmung einen Verteidiger befragen, sind ihm Informationen zur Verfügung zu stellen, die es ihm erleichtern, einen Verteidiger zu kontaktieren. Auf bestehende anwaltliche Notdienste ist dabei hinzuweisen."

 

Da nunmehr in § 163a Abs. 4 StPO der die Vernehmung durch Polizeibeamte betrifft nunmehr darauf hingewiesen wird, dass § 168c Abs. 1 bis 5 StPO für den Verteidiger Anwendung finden, ist davon auszugehen, dass diesem nunmehr auch bei der polizeilichen Vernehmung ein Anwesenheitsrecht (wie in § 168c Abs. 1 Satz 1 StPO) eingeräumt wird. Allerdings gilt auch hier, dass kein Anspruch auf Verlegung des Termins bei Verhinderung besteht (§ 168c Abs. 5 StPO).

 

Auch der § 168c StPO hat umfangreiche Änderungen erfahren, wobei § 168c Abs. 2 StPO das Konfrontationsrecht des Beschuldigten, also das Recht (Belastungs-)zeuge selsbt zu befragen oder durch seinen Verteidiger befragen zu lassen, stärkt. Dieses Recht welches sich bereits aus Art. 6 Abs. 3 d) der Europäischen Menschenrechtskonvention ergibt wurde bislang vom deutschen Gesetzgeber eher stiefmütterlich behandelt.

 

Die Regelungen lauten nunmehr:

 

"(1) Bei der richterlichen Vernehmung des Beschuldigten ist der Staatsanwaltschaft und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an den Beschuldigten zu stellen. Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden.

 

(2) Bei der richterlichen Vernehmung eines Zeugen oder Sachverständigen ist der Staatsanwaltschaft, dem Beschuldigten und dem Verteidiger die Anwesenheit gestattet. Diesen ist nach der Vernehmung Gelegenheit zu geben, sich dazu zu erklären oder Fragen an die vernommene Person zu stellen. 3Ungeeignete oder nicht zur Sache gehörende Fragen oder Erklärungen können zurückgewiesen werden. § 241a gilt entsprechend."

 

Im Jugendgerichtsgesetz (JGG) wurde außerdem die Regelung des § 67a eingefügt. Dieser regelt die Unterrichtung von Erziehungsberechtigten und gesetzlichen Vertretern, wenn einem Jugendlichen die Freiheit entzogen wird.

 

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