Zur Entbindungsbefugnis des Insolvenzverwalters - Entscheidet der Insolvenzverwalter über das Zeugnisverweigerungsrecht?

Das Oberlandesgericht Köln hat mit Beschluss vom 01.09.2015 (2 Ws 544/15) entschieden, dass ein Insolvenzverwalter in einem Strafverfahren gegen die ehemaligen Organe einer insolventen juristischen Person den Rechtsanwalt dieser juristischen Person von der Schweigepflicht entbinden kann. Eine zusätzliche Schweigepflichtentbindung des ehemaligen Geschäftsführers oder Vorstands sei nicht notwendig.

 

Die Entscheidung bringt neue Impulse in die Diskussion zu der Frage, ob ein Insolvenzverwalter einen Berufsgeheimnisträger von der Schweigepflicht entbinden kann. Während eine ältere Rechtsprechung (so: OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14.12.1992, 1 Ws 1166/92, zitiert nach: wistra 1993, S. 120) noch annahm, dass dies nur möglich sei, wenn das ehemalige Organ der juristischen Person eine zusätzliche Entbindungserklärung abgibt, lässt das Oberlandesgericht Köln -wie schon das Oberlandesgericht Nürnberg (Beschluss vom 18. Juni 2009 – 1 Ws 289/09 –, zitiert nach juris) diese Voraussetzung entfallen.

 

Zu beachten ist jedoch, dass die Entscheidung nur Konstellationen betrifft, in denen der von der Schweigepflicht zu entbindende Rechtsanwalt ausschließlich die juristische Person (z.B. GmbH) und nicht (auch) das vertretungsberechtigte Organ selbst vertreten hat. Wie schon Weyand (in: Journal der wirtschaftsstrafrechtlichen Vereinigung e.V. Ausgabe 2.2016, S. 102) andeutet, wäre eine Entscheidung bei einer Doppelvertretung des zu entbindenden Rechtsanwalts eventuell anders ausgefallen. Dem ist zuzustimmen, denn wenn ein "Doppelmandat" vorliegt, könnten gleichfalls private oder persönliche Interessen des Organs (z.B. Geschäftsführers) betroffen sein, so dass eine zusätzliche Entbindungserklärung des Organs zu fordern ist (ähnlich: Weynand, aaO; Tully/Kirch-Heim, "Zur Entbindung von Rechtsbeiständen juristischer Personen von Verschwiegenheitspflicht gem. § 53 Abs. 2 Satz 1 StPO" in: NStZ 2012, S. 663; Meyer-Goßner, StPO, § 53, Rn. 46c). Zur Frage der Interessenkollision in diesen Fällen siehe unten.

 

Eine Grenze der Verpflichtung als Zeuge auszusagen liegt selbstverständlich auch hier in der Regelung des § 55 StPO, so dass sollte eine Selbstbelastung des Rechtsanwalts zu befürchten sein, dieser weiter das Zeugnis verweigern kann.

 

Auch wenn die Entscheidung, wie im Folgenden angedeutet wird, umfassende Auswirkungen auf die Beratungspraxis haben muss, ist sie nur folgerichtig. Das Recht einen (Berufs-)Geheimnisträger von der Schweigepflicht zu entbinden steht demjenigen zu, der von dieser Schweigepflicht geschützt wird (Meyer-Goßner, StPO, 56. Auflage, § 53, Rn. 46 mit Hinweis auf die ältere Rechtsprechung des Hanseatischen OLG) und dies ist bei der Beratung die juristische Person und nicht ihre Organe. Einschränkend ist jedoch mit Tully und Kirch-Heim (aaO, S. 657)  zu fordern, dass die Entbindung die Insolvenzmasse betrifft, da die Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters gem. §§ 22 Abs. 1 Satz 1, 80 Abs. 1 InsO auf das Schuldnervermögen begrenzt ist.

 

Rechtsanwälten, die sich in der Situation befinden, dass sie als Zeuge in einem Strafverfahren gegen ein (früheres) Organ der Gesellschaft in Betracht kommen, muss trotz dieser Entscheidung weiter dazu geraten werden, sich auf ihr Zeugnisverweigerungsrecht zu berufen. Passiert dies nicht, läuft der Rechtsanwalt Gefahr sich nach § 203 Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar zu machen. Das Vorliegen eines unvermeidbaren Verbotsirrtums wird zumindest bis zu einer Klärung durch den Bundesgerichtshof wegen der unterschiedlichen Rechtsauffassungen gleichrangiger Gerichte nicht zwingend anzunehmen sein (so auch: Bielefeld  in: jurisPR-StrafR 9/2016, Anmerkung 3).

 

Des Weiteren muss bei der Beratung von Unternehmen in Krisen sowohl von Seiten der Geschäftsführer als auch von Seiten der Berater -denn die Rechtsprechung dürfte ohne Weiteres auch auf Steuerberater anwendbar sein- darauf geachtet werden, was Gegenstand der Beratung ist und ob auch strafrechtlich relevante Sachverhalte erörtert werden. Das Organ der juristischen Person (zumeist: der Geschäftsführer) muss sich im Klaren sein, dass ihn das Zeugnisverweigerungsrecht in diesem Fall nicht schützt und der Rechtsanwalt so schnell zum "Kronzeugen" gegen ihn wird. Somit muss dazu geraten werden, bei der Beratung und Vertretung des Unternehmens genauestens zu differenzieren, was Gegenstand der Beratung sein kann und was besser in einer Mandatsbeziehung -Geschäftsführer als natürliche Person zu Rechtsanwalt/Strafverteidiger- erörtert wird.

 

Es bietet sich somit an, einen Rechtsanwalt für das Unternehmen und einen weiteren unabhängigen Rechtsanwalt für die Beratung des Geschäftsführers als natürliche Person zu beauftragen. Dies hat ergänzend den Vorteil, dass der, den Geschäftsführer vertretende Rechtsanwalt auch über die Vermeidung von (strafrechtlichen) Haftungsrisiken beraten kann, ohne dass es zu einem Interessenkonflikt mit der Firmenberatung kommen kann, wobei die Grenze zur strafbaren Beihilfe zu Insolvenzstraftaten wie Bankrott zu beachten ist. 

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