Cannabis, Sitzblockaden, Datenschutz - Das Wahlprogramm der Grünen Mecklenburg-Vorpommern

Nach AfD, CDU und FDP komme ich nun auch dazu das Programm der Grünen auf die Themen Strafrecht und Justiz zu prüfen.

 

Der, diesen Bereich betreffende Teil des Programms kann hier heruntergeladen werden und ist überschrieben mit "STARKER RECHTSSTAAT - Damit unsere Bürgerrechte in MV gewahrt bleiben!".

 

Die ersten Forderungen, die die Grünen in diesem Teil stellen, betreffen die Polizei. Wie auch alle anderen Parteien, stellen die Grünen fest, dass es der Aufstockung der Polizeikräfte bedarf, auch wenn sie dies nicht explizit fordern. Es wird sich mehr auf die Überlastung der Polizeibeamten bezogen und diese u.a. darauf zurückgeführt, dass die Polizei auch Aufgaben erfüllt, die -nach Ansicht der Grünen- nicht zwingend von ihnen erüllt werden müssten. Wörtlich heißt es im Programm:

 

"Trotz der Überlastung werden die Polizeikräfte nicht nur für die klassische Polizeiarbeit eingesetzt. Sie sichern Fußballspiele und Schwertransporte; ermitteln gegen Cannabis-Konsumentinnen und Konsumenten, obwohl die Staatsanwaltschaft gegen letztere wegen Geringfügigkeit nur selten Anklage erhebt.

 

Wir wollen die Polizeikräfte sinnvoll einsetzen, indem wir:

  • Fußballvereine an den Kosten der Einsätze beteiligen.
  • Schwertransporte von privaten Sicherheitsfirmen absichern lassen.
  • für Personen über 18 Jahre den Besitz einer geringen Menge Cannabis, bis zu welcher von einer zwangsläufigen strafrechtlichen Verfolgung abgesehen werden kann, durch Landesverwaltungsvorschrift auf 10 Gramm festsetzen und stattdessen in eine flächendeckende Sucht- und Drogenberatung investieren. Höhere Mengen können über eine Verwaltungsvorschrift nicht straffrei gestellt werden. Deswegen wollen wir uns auf Bundesebene dafür einsetzen, in Verbindung mit einem Cannabiskontrollgesetz, für Personen über 18 Jahre den Besitz von bis zu 30 Gramm Cannabis zu legalisieren."

Zunächst stellen sich also zwei Fragen. Sichert die Polizei Fussballspiele und Schwertransporte und ermittelt sie gegen Cannabis-Konsumenten, obwohl gegen diese wegen Geringfügigkeit nur selten Anklage erhoben wird ?

 

Ersteres lässt sich sehr einfach mit "Ja" beantworten. Die Polizei sichert nicht nur Demonstrationen oder andere Großveranstaltungen, sondern kommt auch bei Schwertransporten und Fussballspielen zum Einsatz. Die Frage, ob man Fussballvereine an den Kosten der Polizeieinsätze beteiligen sollte ist eine rein politische, so dass ich mich hierzu nicht positionieren werde. Eine Begleitung von Schwertransporten durch private Unternehmen findet bereits statt und könnte demnach auch ausgebaut werden. Zumindest ist nicht ersichtlich, warum unbedingt Polizisten z.B. einem großen Bauteil vorweg fahren müssen. In Ausnahmefällen, wenn z.B. Verkehrsschilder o.Ä. entfernt werden müssen, wird man jedoch zumindest auf die zeitweise Mitwirkung der Polizei nicht verzichten können.

 

Hinsichtlich der Verfolgung von Cannabis-Konsumenten ist die Antwort schon etwas länger. Sicher ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft auch gegen Cannabis-Konsumenten wobei bereits der Begriff des Konsumenten rechtlich unzutreffend ist. Der Konsum von Cannabis ist nämlich technisch gesehen nicht strafbar. Da mit ihm jedoch zwingend auch der (zeitweise) Besitz des Cannabis einhergeht und dieser strafbar ist, kommt es folgerichtig zur Verfolgung von Cannabis-Konsumenten auch wenn dies nicht der strafrechtliche Anknüpfungspunkt ist. Hierzu sind Polizei und Staatsanwaltschaft auch verpflichtet. Die § 160 Abs. 1 und § 163 StPO zwingen Polizei und Staatsanwaltschaft dazu, wenn sie vom Verdacht einer Straftat Kenntnis erhalten, den Sachverhalt zu erforschen. Kommt die Staatsanwaltschaft (und nur die ist hierfür zuständig) zu dem Ergebnis, dass ein hinreichender Tatverdacht bezüglich einer Straftat vorliegt, klagt sie den Beschuldigten dieser Straftat an.

 

Grundsätzlich ist auch der Besitz von Cannabis strafbar, da Cannabis ein Betäubungsmittel im Sinne der Anlage I zum Betäubungsmittelgesetz ist. Damit ist auch für den Besitz eine Erlaubnis nach § 3 Abs. 2 BtmG notwendig. Wer diese Erlaubnis nicht hat, macht sich nach § 29 BtmG strafbar (Weitere Informationen, Grenzwerte und Strafrahmen finden Sie hier). Auf die Menge kommt es hierfür -zunächst- nicht an. Auch eine gerade noch wiegbare Menge mit nachweisbarem Wirkstoffgehalt unterfällt noch dem Begriff und damit der Strafbarkeit (OLG Koblenz, Beschluss vom 19. November 2014 – 2 OLG 3 Ss 156/14 –, zitert nach juris).

 

Eine Besonderheit des Betäubungsmittelstrafrechts liegt jedoch in den Regelungen der §§ 29 Abs. 5, 31a BtmG. Diese ermöglichen unter bestimmten Voraussetzungen, die hier nachgelesen werden können, ein Absehen von der Verfolgung. Bis zu welcher Menge überhaupt ein Absehen von der Verfolgung in Betracht kommt wird in den einzelnen Bundesländern und den Gerichten unterschiedlich gehandhabt. Einige Bundesländer -zu denen Mecklenburg-Vorpommern nicht gehört- haben Verordnungen erlassen, die Voraussetzungen eines Absehens von der Verfolgung konkretisieren. In diesen ist regelmäßig von bis zu 6 Gramm Cannabis die Rede. Allerdings sind, egal wie hoch man einen Grenzwert ansetzen möchte, das Vorliegen einer derart geringen Menge und die weiteren Voraussetzungen eines Absehens von der Verfolgung zu prüfen. Dies ist ureigenste Aufgabe von Polizei und Staatsanwaltschaft stellt eben die Ermittlungsarbeit dar. Demnach ist durch eine solche Verordnung kein Ermittlungsaufwand einzusparen. Dies wäre tatsächlich aber dann der Fall, wenn man den Besitz von Cannabis legalisieren würde, da dann kein Anfangsverdacht einer Straftat bestünde und nicht ermittelt werden müsste. Hierzu kann man stehen wie man will.

 

Hinsichtlich der Durchführung von Demonstrationen fordern die Grünen wörtlich:

 

"Wir möchten Demonstrationen selbstverständlicher machen und fordern:

 

  • Polizeihunde nicht mehr auf Demonstrationen einzusetzen. Es ist für die Hunde eine Quälerei und es entspricht keiner zivilisierten Gesellschaft Tiere gegen Bürger einzusetzen.
  • Sitzblockaden als legitimes Mittel des passiven Widerstandes anzuerkennen und nicht länger als Straftat zu erfassen.
  • eine numerische Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamtinnen und -beamte.
  • eine unabhängige Beschwerdestelle für Polizei-Übergriffe."

Die Forderung Polizeihunde nicht mehr auf Demonstrationen einzusetzen kann ich kaum beurteilen. Zutreffend dürfte es sein, dass ein Tier, welches kaum halb so hoch ist wie ein durchschnittlicher Mensch und zudem hochempflindlich in Bezug auf Gehör und Geruchsinn ist, auf Demonstrationen regelmäßig übereizt sein dürfte. Demnach wäre aus Gründen des Tierschutzes zu prüfen, ob der Einsatz von Hunden auf Demonstrationen tatsächlich notwendig ist.

 

Will man Sitzblockaden legalisieren, sollte man sich zunächst vergegenwärtigen, unter welchen Voraussetzungen diese überhaupt strafbar sind. In derartigen Fällen kommt eine Strafbarkeit wegen Nötigung gem. § 240 StGB und wohl auch nach § 21 Versammlungsgesetz in Betracht. Ob Sitzblockaden eine Gewaltanwendung im Sinne einer Nötigung darstellen wird sehr unterschiedlich beurteilt. Die Darstellung auch nur der wichtigsten Entscheidungen (ein kurze Darstellung bei Fischer, StGB, 61. Auflage, § 240, Rn. 20ff.) würde den Rahmen sprengen. Relativ sicher lässt sich sagen, dass das bloße "Herumsitzen", also ohne ein Anketten oder aktiven Widerstand z.B. durch Einhaken keine Gewalt im Sinne des § 240 StGb darstellen dürfte und somit keine Nötigung ist.

 

Die Frage ob eine Sitzblockade den Tatbestand des § 21 VersammlG erfüllt, ist hochumstritten. Auch hier dürften kurzzeitige und gewaltfreie Blockaden, bei denen ein Ausweichen möglich ist, straflos bleiben (so auch: OLG Dresden, Beschluss vom 29. September 2014 – 3 OLG 23 Ss 404/14 –, zitiert nach juris, dort Rn. 10; LG Braunschweig, Beschluss vom 09. September 2015 – 13 Qs 171/15 –, zitiert nach juris). Verhinderungsblockaden, also Blockaden, die einzig mit dem Zweck die andere Demonstration zu verhindern durchgeführt werden, erfüllen den Tatbestand des § 21 VersammlG (OLG Dresden, aaO).

 

Im Ergebnis ist es vorstellbar, dass diese umstrittene Rechtslage geklärt werden muss. Die Frage ist jedoch, ob eine generelle Legalisierung von Sitzblockaden mit unserem Grundgesetz vereinbar ist. Die Versammlungsfreiheit ist in Art. 8 GG geschützt. Sie ist ein Grundrecht. Jeder Deutsche hat dieses Recht. Würde man nun aber Sitzblockaden legalisieren, könnte immer eine Gruppierung eine andere blockieren und so deren Recht auf die Durchführung einer Versammlung vereiteln. Demnach sprechen diejenigen, die eine nachhaltige Blockade gegen eine Versammlung durchführen, dieser das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit ab. Dies ist nicht hinnehmbar.

 

Sicher, wenn man sich anschaut wie unqualifiziert, dumm, hasserfüllt und vor allen Dingen faktisch falsch die, auf so einigen Versammlungen vorgetragenen Ansichten sind, möchte man etwas dagegen tun. Aber das Recht, diesen Personen wiederum Grundrechte abzuerkennen oder die eigenen Grundrechte über diese zu stellen, hat man nicht.

 

Die Forderung nach einer Kennzeichnung von Polizisten ist nicht neu. Bereits seit mehreren Jahren gibt es immer wieder Vorstöße in diese Richtung. Von Seiten der Polizei werden diese Pläne weitestgehend abgelehnt (z.B. die Pressemitteilung der "jungen Polizei", hier abrufbar). Die Begründungen sind vielfältig und haben die Persönlichkeitsrechte der Polizeibeamten oder die generelle Notwendigkeit zum Gegenstand. Ebenso wird vertreten, dass eine generelle Kennzeichungspflicht zu einer Kriminalisierung von Polizeibeamten führen könnte (so auch die Pressmitteilung der "jungen Polizei", s.o.).

 

Die Argumente vermögen nicht zu überzeugen. Im Dienst sind Polizeibeamte Repräsentanten des Staates, ihr Persönlichkeitsrecht hat insoweit zurückzutreten. Dies gilt selbstverständlich nicht, wenn von der Transparenz eine Gefahr ausgeht, denn kein Polizist muss sich unnötig weiteren Gefahren aussetzen. Deshalb ist auch eine codierte Kennzeichnung sinnvoll. So kann festgestellt werden, um welchen Beamten es sich gehandelt hat ohne, dass eine feindliche gesinnte Person, den Namen des Beamten erfährt. Im Übrigen ist selbst bei der Kennzeichnung durch Namen und Dienststelle zweifelhaft, dass dies die Sicherheit weitergehend gefährdet als die derzeitige Praxis. Polizeibeamte unterzeichnen Ladungen zu Vernehmungen und führen diese durch. Sie treten tausendfach in Hauptverhandlungen als Zeugen auf und belasten Angeklagte schwer. Auch in diesen Situationen werden Name und Dienststelle bekannt. Eine Kennzeichnung ist auch nicht generell unnötig. Wer bereits einmal eine Demonstration oder auch eine andere Großveranstaltung besucht hat, weiß wie schwer es ist, die mit Uniform, Helm und ggf. weiterer Panzerung versehenen Beamte auseinanderzuhalten. Kooperation bei Aufklärung am Ort kann man leider kaum erwarten. Schlussendlich sei mir der Hinweis gestattet, dass auch Polizisten nur Menschen sind; sie machen Fehler und begehen vereinzelt auch Straftaten. Gerade in psychlogischen Ausnahmesituationen und bei Dauerbelastungen wie z.B. auf Demonstrationen kann es zu Kurzschlussreaktionen kommen, die auch strafrechtlich relevant sein können. Sich davon auszunehmen (und dieser Eindruck entsteht), steht der Polizei nicht gut.

 

Zum Datenschutz, soweit er das Strafrecht betrifft, fordern die Grünen:

 

  • "ein Ende dieser verfassungsrechtlich problematischen Praxis! Bürger dürfen nur überwacht werden, wenn ein unabhängiger Richter dies genehmigt und die betroffene Person nach der Überwachung auch darüber informiert wird, dass sie überwacht wurde.
  • einen besseren Schutz des Kernbereichs privater Lebensgestaltung im Polizei- und im Verfassungsschutzgesetz."

Dem ist zuzustimmen. Wie ich bereits hier umfangreich ausgeführt habe, führt der technische Fortschritt dazu, dass einige Überwachungsmethoden nicht (mehr) von den gesetzlichen Befugnisnormen gedeckt sind. Dies führt dazu, dass nicht klar ist, wann die Ermittlungs- und Staatsschutzbehörden was und unter welchen Voraussetzungen dürfen. Wie auch die aktuelle Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zum BKA Gesetz zeigt, bergen neue Gesetze die Gefahr, dass alle technischen Neuerungen unproblematisch zur Überwachung eingesetzt werden dürfen und damit Grundrechte verletzt werden. Die geforderten Voraussetzungen für eine Überwachung entsprechen im Übrigen den bereits für die Telekommunikationsüberwachung Bestehenden.

Ein Programm, welches aus strafrechtlicher Sicht Höhen und Tiefen enthält. Einige Forderungen sind absolut nachvollziehbar, während andere beim fachkundigen Leser  den Eindruck erwecken als seien in den Augen der Grünen einige "gleicher als andere". Dies ist insbesondere bei der Legalisierung von Sitzblockaden der Fall. Diese Forderungen lässt eine Sensibilität im Hinblick auf die universelle Geltung der Grundrechte vermissen, die an anderer Stelle so vehement eingefordert wird.

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