"gute" und "schlechte" Strafverteidigung...

Die Möglichkeit des Beschuldigten, Angeschuldigten oder Angeklagten sich in einem Strafverfahren verteidigen zu lassen, ist ein zentrales Recht in einem Rechtsstaat.

 

Das Strafverfahren läuft nach einer eigenen, zum Teil sehr speziellen Prozessordnung ab, Gegenstand sind immer massive Eingriffe des Staates in die Rechte von Individuen, die einer besonderen Rechtfertigung bedürfen.

 

Um trotz dieser Eingriffe die individuellen Rechte des Beschuldigten sowie weiterer ggf. betroffener Personen zu schützen, ist es essenziell diesen die Möglichkeit einen rechtskundigen "Vertreter" und "Helfer", wie Alsberg (Schriften zur Psychologie der Strafrechtspflege, Heft 2, 1930. J. Bensheimer Verlag, Mannheim, Berlin, Leipzig. - Vortrag gehalten auf dem 24. Deutschen Anwaltstag in Hamburg am 12. September 1929) es ausdrückte, zu beauftragen, zu geben.

 

Der Verteidiger vertritt also die Rechte des Beschuldigten und achtet auf die Einhaltung des Gesetzes, insbesondere des Prozessrechts. Wie es sich bereits aus der ersten These zur Strafverteidigung, aufgestellt durch den Strafrechtsausschuss der Bundesrechtsanwaltskammer (2. Auflage 2015) ergibt, hat der Verteidiger "seinen Mandanten zu unterstützen und dessen Rechte und Interessen bestmöglich wahrzunehmen". "Er hat ihn ferner vor Rechtsverlusten zu schützen, vor Fehlentscheidungen durch Gerichte und Behörden zu bewahren und gegen verfassungswidrige Beeinträchtigung und staatliche Machtüberschreitung zu sichern."

"gute" Strafverteidigung

Doch was unterscheidet "gute" von "schlechter" Strafverteidigung?

 

Die Frage lässt sich nicht pauschal beantworten. Gute Strafverteidigung ist notwendige Strafverteidigung.

 

Wann eine Verteidigungshandlung notwendig ist, lässt sich nur am jeweiligen Einzelfall bestimmen. Keinesfalls sind die vorstehenden Ausführungen dahingehend zu verstehen, dass nur das Notwendige getan werden muss. Dies muss bereits deshalb ausgeschlossen werden, da das Gesetz nur wenige notwendige Handlungen durch den Verteidiger vorschreibt. So ist beispielsweise nicht einmal die Einsicht in die Ermittlungsakten durch den Verteidiger gesetzlich vorgeschrieben.

 

Auch eine zivilrechtliche Haftung des Strafverteidigers für Fehler besteht nur in engen Grenzen.

 

Notwendige Verteidigung ist also vielmehr im Sinne der oben zitierten These zu verstehen. Soweit Verletzung von Rechten des Beschuldigten oder der Rechtsverlust droht oder die Interessen des Beschuldigten es gebieten, ist das Eingreifen des Verteidigers notwendig.

 

Das bedeutet auch, dass sachfremde, also außerhalb des Verteidigungsverhältnisses liegende Sachverhalte bei der Entscheidung wie verteidigt wird, keine oder allenfalls eine sehr untergeordnete Rolle spielen dürfen. So kann und darf es keinerlei Rolle spielen, ob das Gericht oder die Staatsanwaltschaft mit dem Vorgehen des Verteidigers (z.B. mit dem (Nicht-)stellen von Beweisanträgen o.Ä.) "zufrieden" oder einverstanden ist. 

 

Gleichzeitig muss zwischen notwendigen, weil -wenn auch nur mittelbar- sachdienlichen und querulatorischen und zumeist kontraproduktiven Verteidigungshandlungen unterschieden werden. Die Unterscheidung ist selten von außen möglich. Ein Antrag, der bei weiteren Prozessbeteiligten und/oder z.B. Medienvertretern auf Unverständnis oder sogar Ablehnung stößt kann z.B. im Hinblick auf ein Parallelverfahren oder eine ablaufende Bewährungszeit sehr sinnvoll und damit im obigen Sinne notwendig sein.

 

Ein weiterer Aspekt "guter" Strafverteidigung ist die Wissenskomponente. Bei allem lobenswerten Engagement, können die Rechte des Beschuldigten nicht verteidigt werden, wenn man sie nicht kennt. Da jedoch wie gezeigt, jedes Strafverfahren nach der Strafprozessordnung durchzuführen ist, ist Spezialwissen gefragt. Die allgemeine und auch das Strafrecht mitumfassende juristische Ausbildung ist nicht geeignet, den Absolventen in die Lage zu versetzen, einen Beschuldigten vor Rechtsverlusten zu schützen und zum bestmöglichen Ergebnis zu führen. Allein die stetige Rechtsfortbildung durch die Gerichte erfordert es sich stetig speziell mit dem Strafrecht auseinanderzusetzen. Hinzukommen die inzwischen mehrfach jährlich stattfindenden Reformen des materiellen und des prozessualen Strafrechts.

 

Der Autor verwendet in seiner Beratungspraxis häufig den Vergleich mit der ärztlichen Spezialisierung. Kaum jemand käme auf die Idee bei Zahnschmerzen einen Internisten oder Orthopäden aufzusuchen. Gleichfalls würde auch niemand mit einem gebrochenen Bein einen Zahnarzt für die Behandlung auswählen.

 

Der dritte und -vorerst- letzte Aspekt "guter" Strafverteidigung ist nach Ansicht des Autors, Transparenz und Aufklärung.

 

Ein Mandant der nicht versteht, was ihm vorgeworfen wird, der -zumindest- den groben Ablauf des Strafverfahrens und den Zweck bestimmter Verteidigungshandlungen nicht erläutert bekommt, muss die Prozedur über sich ergehen lassen, er ist unmündig. 

 

Aufgabe des Verteidigers ist folglich auch, den Beschuldigten -soweit möglich- in den Zustand zu versetzen, Abläufe zu verstehen und dem Verfahrensgang zu folgen. Dazu gehört es im Regelfall auch ihn mit dem Inhalt der Ermittlungsakten vertraut zu machen.

"schlechte" Strafverteidigung

Demgegenüber muss "schlechte" Strafverteidigung als das genaue Gegenteil definiert werden.

 

Sie zeichnet sich nach hiesiger Ansicht im Wesentlichen durch Faulheit bzw. Untätigkeit des Verteidigers aus. Diese bedingt sich entweder durch eine fehlende Motivation oder/und fehlendes Fachwissen des Verteidigers.

 

Ebenso als "schlecht" kann eine Verteidigung bezeichnet werden, in der nicht einmal versucht wird, den Mandanten über seine Rechte und Möglichkeiten bzw. über durchgeführte oder geplante Verteidigungsmaßnahmen zu informieren.

 

Problematisch für den Laien ist regelmäßig, dass sich "schlechte" Verteidigung nicht oder nur mit großem Aufwand erkennen lässt. Skepsis ist jedoch angebracht, wenn am Anfang einer Mandatsbeziehung nicht einmal der grobe weitere Ablauf erörtert wird, Kosten nicht transparent gemacht werden oder schlimmstenfalls nicht einmal Akteneinsicht genommen werden soll. Auch wenn der Verteidiger in der Hauptverhandlung -ohne die Angabe von Gründen*- völlig passiv bleibt oder gar pauschal zu einem Geständnis rät oder erklärt, das Gericht nicht verärgern zu wollen, sollte dies angesprochen und bei fehlender Erklärung ein Verteidigerwechsel erwogen werden.

 

*Es sind durchaus Situationen denkbar, in denen eine passive Verteidigung am erfolgversprechensten ist. Nicht immer ist ein lautes oder gar pöbelndes Verhalten dem Verteidigungsziel dienlich. Ebenso sind Stellungnahmen, Anträge oder Fragen ohne einen -mittelbaren- Grund nicht nur sehr selten sinnvoll.

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