Repression oder Prävention - Was Denny Crane mit "Nafris" und "Gefährdern" verbindet

Kaum ein Begriff hat Medien und Politik aktuell derart in Aufruhr versetzt, wie der des "Nafri". Zum einen wurde der Kölner Polizei, die diesen Begriff verwendet(e), vorgeworfen, dieser sei Ausdruck von Rassismus gegenüber den damit gemeinten Männern nordafrikanischer Herkunft. Andere wiederum nahmen die Polizei in Schutz oder spielten die Bedeutung herunter. Es hat keinen Sinn und es gibt auch kein Bedürfnis danach, dass sich auch an dieser Stelle mit der Bedeutung des Begriffs und den Auswirkungen seiner Verwendung bei der Polizei auseinandergesetzt wird.

 

Allerdings zeigt die Debatte ein weiteres, viel grundsätzlicheres und älteres Problem auf.

 

Was darf der Staat zur Verhütung und Abwehr von Gefahren tun? Und wem darf der Staat mit welcher Begründung welche Maßnahmen antun?

 

Die Problematik zeigt sich nicht nur an dem vorbenannten Beispiel, sondern zieht sich durch die gesamte Debatte um öffentliche Sicherheit.

 

GEWALTTÄTER SPORT...

 

So können Personen unter teilweise haarsträubenden Voraussetzungen in die "Gewalttäter Sport"-Datei eingetragen werden. In dieser, seit 1994 von den Polizeibehörden geführten Datei werden die Daten von Personen gespeichert, die im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen strafrechtlich in Erscheinung treten, also Straftaten begehen. Eine Speicherung erfolgt jedoch auch, wenn das Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Sie bleibt bestehen, wenn sich aus den Gründen der Entscheidung nicht positiv ergibt, dass der Betroffene die Tat nicht oder nicht rechtswidrig begangen hat (BVerwG, Urteil vom 09. Juni 2010 – 6 C 5/09 –, BVerwGE 137, 113-123, hier zitiert nach juris, dort Rn. 26). Das bedeutet, selbst eine Einstellung mangels hinreichendem Tatverdacht nach § 170 Abs. 2 StPO führt nicht zu einer Löschung. Wie auf der Internetpräsenz der Polizei Nordrhein-Westfalen zu lesen ist, werden darüber hinaus auch die Daten von Personen gespeichert, gegen die von der Polizei Personalienfeststellungen, Platzverweise und Ingewahrsamnahmen angeordnet wurden, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass sich diese Personen zukünftig im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an Straftaten von erheblicher Bedeutung beteiligen werden (https://www.polizei.nrw.de/artikel__4596.html, abgerufen am 05.01.2017).

 

Auch dem Laien dürfte ersichtlich sein, dass dies so ziemlich jede Person betreffen kann. Es kann ausreichen, dass man sich nur irgendwie in der Nähe eines Stadion aufhält oder ein von Fans genutztes Verkehrsmittel nutzt um in eine Kontrolle zu geraten. Ist man dann unfreundlich oder trägt z.B. auffällige Kleidung (Stichwort: "A.C.A.B.", aber auch politische oder satirische Aufdrucke) kann es zu einer Speicherung kommen. Wird eine Person in dieser Datei geführt, werden allgemeine Verkehrs- und/oder Personalienkontrollen besonders intensiv durchgeführt und z.B. auch der PKW durchsucht. Überdies wird die Datei auch genutzt um zu prüfen, ob gegen einzelne Personen Ausreiseverbote nach §§ 10, 7 PassG verhängt werden können.

 

...GEFÄHRDER...

 

Die Einordnung einer Person als Gefährder basiert auf einem ähnlichen System. Der Begriff des Gefährders wird nach Abstimmung der Leiter der Landeskriminalämter und des Bundeskriminalamts bereits seit 2004 wie folgt definiert: „Ein Gefährder ist eine Person, bei der bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie politisch motivierte Straftaten von erheblicher Bedeutung, insbesondere solche im Sinne des § 100a der Strafprozessordnung (StPO), begehen wird" (Antwort des Staatssekretärs Dr. August Hanning (für die Bundesregierung) vom 24.11.2006, BT-Drs. 16/3570, hier abrufbar). Dabei ist schon nicht klar, wann bestimmte Tatsachen eine solche Annahme rechtfertigen. Auch sonst ist dieses Vorgehen hochproblematisch, werden doch in erheblichen Maße Rechte nicht gewährt. So erfolgt die "Einstufung von „Gefährdern“ innerhalb der Polizei heimlich, von den Zielpersonen aus kriminaltaktischen Gründen bewusst unbemerkt. Im Rahmen der Einstufung ist richterlicher Rechtsschutz vor und nach ihr nicht vorgesehen: Im Gerichtsverfassungsgesetz findet sich keine Zuständigkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit, polizeiliche Gefährdereinstufungen zu überprüfen. Ein Vergleich mit heimlichen Maßnahmen des Strafprozessrechts zeigt die schweren rechtsstaatlichen Mängel der Gefährdereinstufung auf: Der Strafprozess sieht für heimlich vollzogene Ermittlungen Richtervorbehalte vor (Anmerkung: so z.B. bei der Telekommunikationsüberwachung). Nach deren Ende sind im Rahmen einer Hauptverhandlung be- und entlastende Erkenntnisse Gegenstand der Erörterung durch den Verteidiger des Beschuldigten" (von Denkowski, Einstufungen von „politisch motivierten Gefährdern“ und deren polizeirechtliche Überwachung: Eine verfassungswidrige präventive Kriminalstrategie?, hier abrufbar, dort Seite 16). Damit ist die Einstufung als Gefährder losgelöst von jeglicher Kontrolle durch die Justiz. Es muss klar sein, dass es sich bei einem Gefährder nicht um einen Störer im Sinne des Polizeirechts oder um einen Beschuldigten im Sinne des Strafrechts handelt. Es ist weder ein konkreter Anfangsverdacht noch eine konkrete Gefahr gegeben. Wäre dies der Fall könnte der Betroffene entweder Adressat polizeilicher Maßnahmen sein oder als Beschuldigter in einem Strafverfahren geführt werden. In beiden Fällen bestünden für den Betroffenen Rechtsschutzmöglichkeiten, die ihm als Gefährder faktisch nicht gewährt werden. Trotzdem werden die Betroffenen umfangreichen Überwachungsmaßnahmen unterzogen, für die im Strafrecht erhebliche Hürden (Richtervorbehalt, Informationspflichten etc.) zu nehmen wären. Es stellt sich demnach die Frage, wie sich ein Rechtsstaat ein derartiges Verhalten leisten kann.

 

...und Denny Crane

 

Der ein oder andere Leser mag sich nun fragen, wie der Titel des Beitrags begründet ist.

 

Zunächst soviel: Denny Crane ist ein fiktiver Charakter. In der Serie "Boston Legal" ist Denny Crane -gespielt von William Shatner- ein in die Jahre gekommener Star-Anwalt, der nicht nur alle seine Fälle gewinnt, sondern auch als Republikaner, Waffennarr und ausgewiesener Sexist für Furore sorgt.

 

In Staffel 3, Folge 12 (hier kann ein Skript der Folge abgerufen werden) kommt es nun dazu, dass Denny Crane mit einer Dame nach Hawaii reisen möchte. Ihm wird jedoch der Zugang zum Flugzeug verwehrt, da er auf der sogenannten "No Fly List" steht. Wie sich dann herausstellt, liegt dies darin begründet, dass Denny Crane auch der Name eines "Terrorverdächtigen" ist. Die Regierung kann es jedoch nicht leisten, Personen gleichen Namens zu unterscheiden, weshalb alle Denny Cranes auf der "No Fly List" stehen.

 

Dieses zugegebenermaßen fiktive und humorvoll aufbereitete Beispiel zeigt aber die bereits umrissene Problematik auf. Einstufungen von Personen oder Personengruppen als potentiell gefährlich sind hochproblematisch, da den Betroffenen keine konkreten Handlungen vorgeworfen werden können. Im weitesten Sinne handelt es sich um eine Verfolgung Unschuldiger.

 

Hinzukommt, dass die eigentlich garantierte Kontrolle der Exekutive nicht oder nur unzureichend ermöglicht wird. Damit stehen diese Maßnahmen auch immer im Spannungsfeld zu unserer Verfassung und den Grundrechten gegenüber dem Staat, der sie garantiert.

 

Wenn wir nicht aufpassen, wird uns unser Bedürfnis nach -nicht zu erreichender- Sicherheit zum Verhängnis, denn wenn sich die begonnene Entwicklung fortsetzt, sind wir alle Denny Crane.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0