Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft II - ausgewählte Kritikpunkte

Mit dem 22.04.2020 legte das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen Referentenentwurf über das "Gesetz zur Stärkung der Integrität in der Wirtschaft" vor (hier geht es zum Entwurf). Wesentlicher Inhalt des Entwurfs ist die Einführung eines "Gesetzes zur Sanktionierung von verbandsbezogenen Straftaten, kurz: Verbandssanktionengesetz (VerSanG). Dieser Beitrag stellt die Fortsetzung der Reihe zu eben diesem Gesetzentwurf dar. Hier finden Sie den ersten Teil.

Verbandssanktionen nur für wirtschaftliche Verbände?

Die angedachte Beschränkung der Anwendbarkeit des VerSanG allein auf Verbände deren Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, vermag unter keinem der in der Begründung des Referentenentwurfs bezeichneten Gesichtspunkte zu überzeugen.

 

Zunächst ist festzustellen, dass die Abgrenzung zwischen einem Verband, dessen Zweck auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist und einem Verband, dessen Zweck nicht hierauf gerichtet ist, im Einzelfall zu erheblichen Schwierigkeiten führen kann. Betrachtet man allein die Rechtsprechung zur den §§ 21, 22 BGB (vgl. z.B. D. U. Otto in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 9. Aufl., § 22 BGB (Stand: 01.05.2020)) ist ersichtlich, dass mit der angedachten Anwendungsbeschränkung im Einzelfall enorm komplexe und im Strafrecht in der Regel fremde Prüfungen vorzunehmen sind, die geeignet erscheinen, auch aufgrund des Streitpotentials zwischen den Beteiligten, Ermittlungsverfahren erheblich zu verzögern.

 

Weiter wird es auch in Fällen die Verbände betreffen, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist, zu ahndungswürdigen Sachverhalten kommen. So übernimmt § 2 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG-E sinngemäß die Definition der Bezugstat aus § 30 Abs. 1 OWiG für die Definition der Verbandstat. Damit ist auch im Verbandssanktionenrecht eine tatsächliche oder beabsichtigte Bereicherung des Verbands oder die Verletzung einer verbandsbezogenen Pflicht erforderlich. Demnach ist anzunehmen, dass die Rechtsprechung bei der Auslegung des Begriffs der Verbandstat auf die Rechtsprechung und die Literatur zur Bezugstat zurückgreifen wird. In der Folge wird auch die Definition der betriebsbezogenen Pflichtverletzungen im neuen Recht Anwendung finden. Da als betriebsbezogen alle Pflichten gelten, die im Besorgungsbereich des Repräsentanten liegen und nach innen und außen gerichtet sein können, sind auch Korruptionsdelikte oder Untreuehandlungen als Verbandstaten anzusehen. Diese ggf. den Verband selbst schädigenden Straftaten kommen jedoch auch in Verbänden vor, die primär nicht am wirtschaftlichen Wettbewerb teilnehmen.

Für diese Annahme spricht auch der § 3 Abs. 1 Nr. 2 VerSanG-E, der eine dem § 130 OWiG nicht unähnliche Wertung vornimmt. Schließlich erscheint es auch nicht sachgerecht, den Verfolgungsbehörden in diesen Fällen die in den §§ 10ff. und §§ 35ff. VerSanG-E vorgesehenen Spielräume zu nehmen.

 

Abschließend ist anzumerken, dass vor dem Hintergrund, dass es sich bei der Verbandstat gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 3 VerSanG immer um eine Straftat handelt, eine gemeinsame Sachbehandlung durch die Strafverfolgungsbehörde anbietet, da diese ohnehin mit der Führung des Ermittlungsverfahrens wegen der Verbandstat betraut ist. Ähnlich verhält sich dies mit der Zuständigkeit des entscheidenden Gerichts. Gerade bei komplexeren Sachverhalten und komplizierten Rechtsfragen erscheint es angezeigt, die organisatorisch und fachlich hierfür besser aufgestellten Strafgerichte mit der Verhandlung und Entscheidung in diesen Verfahren zu betrauen.

§ 14 VerSanG-E - Der moderne Pranger

Die im Referentenentwurf angedachte Möglichkeit die Verurteilung bei einer großen Zahl von Geschädigten wird kritisch gesehen. Neben dem Umstand, dass sich eine Prangerwirkung, wie sie vom Gesetzgeber nicht gewollt ist, kaum vermeiden lassen wird, ist dem Informationsinteresse Geschädigter nach der bisherigen Gesetzeslage bereits hinreichend Rechnung getragen. So steht es den Geschädigten gemäß § 24 Abs. 1 VerSanG-E i.V.m. § 406d Abs. 1 StPO frei die Erteilung entsprechender Auskünfte zu beantragen. Sollte an einer Information der Geschädigten ohne konkreten Antrag festgehalten werden, dürfte -aufgrund der zu befürchtenden Prangerwirkung- eine direkte Information der Geschädigten wie sie bereits Gegenstand des § 459i Abs. 1 Satz 1 StPO ist, vorzugswürdig sein.

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