Mit dem 19.07.2017 hat der bayerische Landtag einen Gesetzesentwurf des bayerischen Innenministers Joachim Hermann beschlossen, der bei entsprechender Umsetzung in der Lage ist, Bayern auf ein Niveau mit Staaten wie der Türkei oder auch Nordkorea zu "heben".
Das Gesetz, um das es geht nennt sich "Gesetz zur effektiveren Überwachung gefährlicher Personen" (Drucksache 17/16299, hier abrufbar) und ändert im u.a. das bayerische Polizeiaufgabegesetz in wesentlichen Bereichen.
Der bayerische Innenminister -selbst Jurist- gibt zu diesem Gesetz allen Ernstes folgende Äußerungen ab:
"Als erste wichtige Änderung griff Herrmann heraus, dass Gefährder bei konkreten Gefahren künftig im Einzelfall länger als bislang maximal zwei Wochen in polizeilichen Gewahrsam genommen werden können. "Wie lange eine Gefahr konkret gegeben ist, hängt immer vom jeweiligen Einzelfall ab", so Herrmann. "Damit können wir den Betreffenden solange präventiv festhalten, bis keine konkrete erhebliche Gefahr mehr von ihm ausgeht." Die Anordnung des länger andauernden Gewahrsams und die Entscheidung über seine Fortdauer, die nach spätestens drei Monaten erneut zu treffen ist, erfolge stets durch einen Richter.
Wie der Innenminister weiter erläuterte, wird zweitens auch die elektronische Aufenthaltsüberwachung, die sogenannte 'elektronische Fußfessel', für gefährliche Personen eingeführt. "Mit der elektronischen Aufenthaltsüberwachung gewinnen wir neben der personalaufwändigen Observation und dem eingriffsintensiven Gewahrsam eine weitere effektive Polizeimaßnahme", argumentierte Herrmann. "Auch wenn es bei der elektronischen Fußfessel natürlich keine hundertprozentige Sicherheit vor schweren Straftaten gibt: Sie hilft der Polizei ganz erheblich, den Bewegungsspielraum von Gefährdern einzuschränken, schneller deren Aufenthalt zu bestimmen und sie damit effektiver zu überwachen."
(Pressemitteilung des bayerischen Innenministeriums vom 19.07.2017, hier abrufbar)
Inhaltlich hat der Innenminister Recht. Es können nunmehr Personen, von denen die Polizei meint, von ihnen würde eine Gefahr ausgehen unendlich lange festgehalten werden. Alle drei Monate muss der Gewahrsam von einem Richter überprüft werden.
Nochmal, eine Person kann ohne dass sie eine Straftat begangen oder auch nur versucht hat, zunächst für maximal drei Monate eingesperrt werden. Es bedarf keines konkreten Vorwurfs, keiner Gerichtsverhandlung, kurz gesagt es ähnelt dem völker- und menschenrechtswidrigen Gefangenenlager Guantanamo.
Hinzukommt, dass durch den neuen Art. 32a Polizeiaufgabengesetz ermöglicht wird, das Tragen einer elektronische Fussfessel "zur Abwehr einer Gefahr oder einer drohenden Gefahr für ein in Art. 11 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 bis 3 oder Nr. 5 genanntes bedeutendes Rechtsgut" (...) "gegenüber der dafür verantwortlichen Person" anzuordnen. Das bedeutet, dass es nunmehr möglich sein soll, dass Personen, die keine Straftat begangen haben müssen, zum Tragen einer elektronischen Fussfessel gezwungen werden können. Wird diese Anordnung nicht befolgt, kann der Betroffene in -quasi unbefristeten- Gewahrsam genommen werden. Besonders fragwürdig ist in diesem Zusammenhang die Einführung des Begriffs der "drohenden Gefahr". Hierbei handelt es sich um einen, dem Gefahrenabwehrrecht im Übrigen fremden Begriff. So geht der Art. 2 PAG grundsätzlich von einer "bestehenden Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung" aus.
Die drohende Gefahr soll nach Meinung des bayerischen Gesetzgebers dann vorliegen, "wenn im Einzelfall 1. das individuelle Verhalten einer Person die konkrete Wahrscheinlichkeit begründet oder 2. Vorbereitungshandlungen für sich oder zusammen mit weiteren bestimmten Tatsachen den Schluss auf ein seiner Art nach konkretisiertes Geschehen zulassen, wonach in absehbarer Zeit Gewalttaten von erheblicher Intensität oder Auswirkung zu erwarten sind (drohende Gefahr)".
Der Begriff der Gefahr als Solcher suggerriert bereits, das noch keine Taten passiert sind, der Begriff der drohenden Gefahr treibt dies auf die Spitze. Die Regelung ermöglicht es der Polizei, ohne das auch nur die Gefahr von Straftaten besteht (sie droht ja nur), das Tragen einer Fussfessel anzuordnen, Platzverweise auszusprechen etc. Wann eine Gefahr droht, liegt in Folge des über alle Maßen zeitlich vorverlagerten Einschreitens vollständig im Ermessen der Polizei. Es ist schlicht nicht prüfbar, ob eine Gefahr "gedroht" hat. Niemand muss ein Messer ziehen oder Ähnliches; es dürfte Ausreichen, dass bestimmte Personen oder Personengruppen (z.B. Jugendliche, Linke, Rechte, Ausländer etc.) nach kriminalistischer Erfahrung oder weil irgendein Blödsinn in sozialen Netzwerken veröffentlicht wurde, von der Polizei für verdächtig gehalten werden.
Selbstverständlich kann man entgegnen, dass das Gesetz sorgsam und zurückhaltend angewendet, die Bürger besser vor Terrorismus und Amokläufen schützt. Doch zum einen stimmt dies nicht, denn potentielle Täter werden sich zurückziehen, die Kommunikation besser verschlüsseln oder ganz umstellen. Einzeltäter, die mit niemandem kommunizieren bleiben eine Gefahr. Gleiches gilt für Amokläufe. Zum anderen verschafft ein solches Gesetz staatlichen Institutionen ernorme Macht, die gegen jeden einzelnen Bürger eingesetzt werden kann. Beinahe in jedem Verhalten kann die Grundlage für die Annahme einer -drohenden- Gefahr gesehen werden, repressive Maßnahmen sind die Folge. Jeder kann ein Opfer staatlicher Gewalt werden. Wie die Entwicklungen in anderen Ländern (Polen, Türkei etc.) zeigen, merkt die Bevölkerung zumeist erst wenn es zu spät ist. Freiheit zu opfern um Freiheit zu verteidigen hat noch nie funktioniert.
Kommentar schreiben