Polizeigewalt - Die Strafbarkeit von Polizisten

Im Zuge des G20-Gipfels in Hamburg wurde -zumindest in einigen Medien- auch das Problem der "Polizeigewalt" thematisiert.

 

Daneben kam es -wie so oft- zu Äußerungen einzelner Polizisten oder -vermeintlicher- Repräsentanten, aber auch von offiziellen Vertretern, die ein tiefgreifendes Missverständnis der Grundrechte, der Gewaltenteilung und der polizeilichen Befugnisse offenbaren.

 

Grund genug sich zu fragen, was Polizeigewalt überhaupt ist, welche rechtliche Grundlagen exisitieren und wie Polizeigewalt geahndet wird.

 

Gemeinhin wird Polizeigewalt als körperliche Gewalt, die von Polizisten ausgeht, beschrieben. Im Ausnahme- und nicht etwa im Regelfall kann diese Gewaltanwendung beispielsweise im Rahmen des sogenannten unmittelbaren Zwangs gerechtfertigt sein.

 

Unmittelbarer Zwang ist ein sogenanntes Zwangsmittel im Sinne der Polizeigesetze der Bundesländer. In Mecklenburg-Vorpommern ist dieser in § 90 SOG M-V geregelt. Soweit sich die Polizei schon fast reflexartig auf den unmittelbaren Zwang beruft, sei darauf hingewiesen, dass zwingend nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz vorzugehen ist und die Anwendung unmittelbaren Zwangs schon nach dem Wortlaut des Gesetzes gegenüber den anderen Zwangsmitteln wie Zwangsgeld und Ersatzvornahme subsidär ist. Anders als -leider- häufiger behauptet, kann der handelnde Polizist -zumindest nach den Buchstaben des Gesetzes- nicht "machen was er will".

Körperverletzungen durch Polizisten - in der Theorie...

Rechtsgrundlage für die Bestrafung von Polizisten bei der Überschreitung polizeirechtlicher Grenzen ist § 340 StGB, der die Körperverletzung im Amt regelt. Hinsichtlich der Tathandlung nimmt die Regelung Bezug auf die "allgemeine" Körperverletzung im Sinne des § 223 StGB.

 

Allgemein wird eine Körperverletzung im Sinne des § 223 Abs. 1 StGB in körperliche Misshandlung und Gesundheitsschädigung unterteilt. Der Begriff der körperlichen Misshandlung wird in Rechtsprechung und Literatur weit ausgelegt (so schon das Reichsgericht in: Entscheidungen des Reichsgerichts, Bd. 25, S. 375; OLG Düsseldorf in: NJW 1991, S. 2918; Lilie in: Leipziger Kommentar zum Strafgesetzbuch, 11. Auflage, § 223, Rn. 6 und 9; zustimmend auch: Hettinger in: Wessels/Hettinger, Strafrecht BT I, 34. Auflage, Rn. 255). Definiert wird die körperliche Misshandlung als substanzverletzende Einwirkung auf den Körper des Opfers sowie jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden mehr als nur unerheblich beeinträchtigt (siehe nur: OLG Düsseldorf, aaO). Beispiele für Substanzverletzungen sind

  • Substanzschäden,  wie z.B. Beulen, Prellungen, Wunden etc.

und

  • Substanzeinbußen,  wie z.B. Verlust von Gliedern, Zähnen oder Organen.
Auch das Hervorrufen körperlicher Funktionsstörungen wie etwa das Beeinträchtigen von Hör- und Sehvermögen werden vom Begriff der körperlichen Misshandlung erfasst (Hettinger, aaO, Rn. 256). Auf eine Schmerzempfindung kommt es dabei nicht an (BGH, Urteil vom 14. März 2007 – 2 StR 606/06 –, zitiert nach juris), so dass auch das Abschneiden von Haaren oder das Fesseln und Knebeln mit z.B. Klebeband (BGH, aaO) unter diesen Begriff fällt.
Hervorzuheben ist noch, dass auch eine körperliche Misshandlung durch ein Unterlassen begangen werden kann. Beispiele hierfür sind nach Fischer (StGB, 64. Auflage, § 223, Rn. 5.) das Vorenthalten von Nahrung oder die pflichtwidrige Aufrechterhaltung von Schmerzen (OLG Hamm, Urteil vom 06. September 1974 – 3 Ss 396/74 –, zitiert nach juris).

Eine Gesundheitsschädigung wird als das Hervorrufen oder Steigern eines -auch nur vorübergehenden- pathologischen Zustands verstanden (Fischer, aaO, Rn. 5; Hettinger, aaO, Rn. 257 mit Verweis auf die Rechtsprechung des BGH). Ob das Opfer "gesund" ist oder bereits eine Vorschädigung hatte ist -wie die Definition bereits vermuten lässt- irrelevant. Sie kann ohne eine körperliche Misshandlung z.B. durch die Verunreinigung von Luft oder Wasser mit Giftstoffen verursacht werden (BGH in: Monatsschrift für Deutsches Recht 1975, S. 723, zitiert bei Dallinger).

 

Zusätzlich ist erforderlich, dass ein sachlicher Zusammenhang mit der Dienstausübung besteht (Fischer, aaO, § 340, Rn. 2). Eine Erkennbarkeit als Polizist z.B. bei verdeckten Ermittlern ist nach zutreffender Ansicht nicht erforderlich (Fischer, aaO, mit weiteren Nachweisen).

...und in der Praxis

Nach den obigen Ausführungen sollten zumindest Ermittlungsverfahren gegen Polizeibeamte keine Seltenheit sein und auch Verurteilungen durchaus vorkommen. Dass dem nicht so ist, liegt nicht etwa daran, dass Polizeibeamte besonders gute Menschen oder gar enorm friedfertig sind, sondern an den vielen Erschwernissen, die sich bei der Anzeige und Aufklärung derartiger Vorwürfe in den Weg stellen.

 

Zunächst kann eigentlich keine Anzeige gegen einen Polizisten gestellt werden, ohne dass es zu einer Gegenanzeige wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte kommt. Sehr eindrucksvoll illustriert dies der folgende (Original-)Vermerk eines Polizeibeamten.

In diesen Fällen wird eine Aussage-gegen-Aussage-Konstellation kreiert, die von den Gerichten zumeist zum Nachteil des Verletzten bewertet wird. Dabei wird -völlig grundlos- auf die Zuverlässigkeit und Glaubwürdigkeit von Polizisten im Allgemeinen abgestellt, anstatt wie bei allen anderen Zeugen auch und vom Bundesgerichtshof vorgegeben, von der Nullhypothese auszugehen.

 

Des Weiteren ist zu beobachten, dass sich die Aussagen von beschuldigten Polizeibeamten und auch Kollegen im weiteren Verlauf eines Ermittlungsverfahrens auffällig häufig ändern. Dies gilt insbesondere für nachträglich geschriebene Tätigkeitsberichte, dienstliche Stellungnahme und Ähnliches, in denen dann konstruierte Notwehr- und Notstandsituationen geschildert werden oder eben eine Widerstandshandlung des Verletzten.

 

Auch bei der "Herrin des Ermittlungsverfahrens", der Staatsanwaltschaft stoßen Ermittlungsverfahren gegen Polizisten häufig genug auf völlig unangebrachte Zurückhaltung, wird doch in anderen Verfahren immer die fehlende Aussagekraft eines Verdachts sowie die Unschuldsvermutung bei gleichzeitig vernichtender Medienarbeit, betont.

 

Das bedeutet selbstverständlich nicht, dass jeder Polizist Straftaten im Amt begeht oder in jedem Fall die Vertuschung des Sachverhalts betrieben wird. Dennoch kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass seitens der Polizei mit "zweierlei Maß" gemessen wird.

 

Es ist zu fordern, dass die Polizei einräumt und berücksichtigt, dass die Institution und ihre Mitglieder -wie alles und jeder- fehlbar sind. Dies erfordert dann aber auch die unvoreingenommene und lückenlose Aufklärung von Vorwürfen.

 

Die Polizei und der einzelne Polizist sind Repräsentanten des Staates. Sie sind mit Befugnissen ausgestattet, die die des Bürgers um ein Vielfaches übersteigen. Demnach ist bei dem Gebrauch dieser Befugnisse Zurückhaltung und Sensibilität für die Rechte Anderer geboten. Da Versagen und Missbrauch jedoch menschlich sind, müssen auch hinreichende Kontrollmöglichkeiten geschaffen werden. Wie aus anderen Bereichen ersichtlich ist, ist eine Selbstkontrolle bei Weitem nicht ausreichend.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0