Das Fahrverbot als allgemeine Nebenstrafe - Ein "Dankschreiben" an die Bundesregierung

Zur Einführung:

 

Das Bundesjustizministerium hat kurz vor Weihnachten 2016 einen Entwurf zur Änderung der Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Jugendgerichtsgesetzes vorgelegt, der -unter Anderem- vorsieht, dass nunmehr auch Straftaten, die nicht mit dem Führen von Kraftfahrzeugen in Zusammenhang stehen, mit einem Fahrverbot geahndet werden können. Darüber hinaus sollen mit dem selben Gesetz der Richtervorbehalt bei der Blutentnahme entfernt werden und die Straftaten nach dem Bundesnaturschutzgesetz ausgeweitet werden (BT-Drs. 18/11272). Der Entwurf wird am 9. März 2017 um 0:00 Uhr erstmals im Bundestag behandelt (siehe Foto).

 

Angesichts der, durch diese Änderungen zu erwartenden Umsatzsteigerungen bei Strafverteidigern ist es an der Zeit "Danke" zu sagen.

Sehr geehrte Damen und Herren Bundesminister, werte Bundesregierung, sehr geehrte Frau Dr. Merkel,

als junger Strafverteidiger habe ich den von Ihnen eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuchs, des Jugendgerichtsgesetzes, der Strafprozessordnung und weiterer Gesetze (BT-Drs. 18/11272) mit großem Interesse und zunehmender Freude gelesen und möchte mich für Ihre Initiative bedanken. Die geplanten Änderungen dürften mir helfen, ein, meiner herausgehobenen Stellung als Rechtsanwalt angemessenes Anwesen zu finanzieren.

 

Nicht nur, dass Sie die vielfach hervorgebrachten Bedenken, die angestrebten Änderungen würden die finanziell schlechter Situierten benachteiligen, weil diese sich weder ein Taxi noch einen Fahrer leisten könnten, beharrlich ignorieren. Sie schaffen es außerdem noch, endlich eine rechtlich relevante Unterscheidung zwischen Stadt- und Landbevölkerung herbeizuführen, da dort wo kein entsprechender öffentlicher Nahverkehr vorhanden ist, ein Fahrverbot ungleich größere Auswirkungen hat. So könnte man auch endlich wieder ein paar mehr Arbeitslose produzieren, da ein Fahrverbot vielfach auch den Verlust der Anstellung bedeutet.  Gerade auch durch die gelungene und durchdachte Ausweitung des möglichen Fahrverbots auf bis zu 6 Monate bei jeder Verurteilung wegen einer Straftat ist hervorragend geeignet dieses -wohl angestrebte- Ziel zu erreichen. Insoweit kann ich Ihnen beipflichten, dass "die Öffnung des Fahrverbots für alle Straftaten" "auch außerhalb der Verkehrsdelikte eine zusätzliche Möglichkeit" schafft, "zielgenau, spürbar und schuldangemessen auf den Täter einzuwirken, und zugleich der Vermeidung von Verhängung und Vollstreckung insbesondere kurzer Freiheitsstrafen zu dienen"  wie Sie so treffend auf Seite 12 der Drucksache schreiben. Dass kurze Freiheitsstrafen nur in Ausnahmefällen zu verhängen sind und eine Nebenstrafe wie das Fahrverbot parallel hierzu verhängt werden könnte, wissen ja hoffentlich nicht allzu Viele.

 

Persönlich rechne ich damit, dass nun beinahe jeder Beschuldigte, Angeschuldigte oder Angeklagte, der auch nur irgendetwas zu verlieren hat, einen Strafverteidiger beauftragen wird um diese Folge, wenn möglich, zu vermeiden. Und dies, meine Damen und Herren, könnte schöner nicht sein und ist ja quasi gleichzusetzen mit einer Diätenerhöhung.

 

Soweit die Spießer vom Deutschen Richterbund und vom Deutschen Anwaltverein meinen, es fehle an einem individuellen Bezug zur Tat kann dies getrost ignoriert werden. Zwar fehlt auch mir es an einem sinnvollen Gegenargument, nichtsdestotrotz war es schon immer wichtig Visionen zu haben und diese kompromisslos umzusetzen.

 

In der Hoffnung auf viele weitere neue Strafgesetze und Verschärfungen verbleibe ich

 

Mit freundlichen Grüßen

 

 

Benjamin Lanz

Rechtsanwalt

Kritik

Der vorstehende Brief ist ersichtlich nicht ganz ernst gemeint. Wer Visionen hat, sollte sich in Behandlung begeben.

 

Zunächst einmal führt ein Fahrverbot schon nach der aktuellen Rechtslage zu einer kaum zu rechtfertigenden Ungleichbehandlung in vielerlei Hinsicht.

 

Zum einen werden wohlhabende Betroffene privilegiert, da diese sich durch einen Fahrer oder den nur Teilzeit beschäftigten Partner oder ein Taxi fahren lassen können. Geringverdiener können sich dies nicht leisten.

 

Zum anderen privilegiert die Regelung Personen die in Gegenden mit einem gut ausgebauten öffentlichen Personennahverkehr ausgestattet sind (z.B. Ballungsgebiete), da dort auf diese Angebote ausgewichen werden kann. In ländlichen Gegenden kann ein Fahrverbot nicht nur die berufliche Existenz kosten, da das Fahrzeug benötigt wird, um zum Arbeitsplatz zu kommen oder Fahrten mit diesen zum Beruf gehören, sondern auch zu ernsthaften Versorgungsproblemen führen.

 

Dies verkennt der Entwurf ausweislich seiner Begründung vollends.

 

Wie auch der Deutsche Richterbund betont, fehlt es an einer Begründung für den Umstand, dass gerade das Fahrverbot als Nebenstrafe für alle Straftaten sinnvoll ist. Nach den bisherigen Regelungen ist klar, wer im Zusammenhang mit den besonders gefährlichen Verkehrsstraftaten verurteilt wird bei der Nutzung von Kraftfahrzeugen im Straßenverkehr eingeschränkt werden kann.

 

"Damit stellt sich die Frage, warum gerade das Fahrverbot als Sanktion gewählt wird und nicht das Fußballspielen am Sonntag oder der Wochenend-Kinobesuch. Mit dem Fahrverbot verbietet man dem Betroffenen die Ausübung einer bestimmten Tätigkeit, ohne dass klar wird, warum es gerade diese Tätigkeit ist. Die auch in der Begründung des Referentenentwurfs genannten Akzeptanzprobleme dürften damit in der Tat hoch werden."

 

Ein weiteres Argument liefert ebenfalls der Richterbund, der nun nicht gerade für seine liberalen Ansichten bekannt ist:
 
"Noch verstärkt werden dürften sie durch den Umstand, dass die Befolgung des Fahrverbots nur schwer kontrollierbar ist. Wer dem Fahrverbot nicht Folge leistet, dürfte nur auffallen, wenn er zufällig in eine Fahrzeugkontrolle gerät."  (Deutscher Richterbund, Stellungnahme Nr. 16/16, hier abrufbar)

 

In eine ähnliche Kerbe schlägt auch der Deutsche Anwaltverein (Stellungnahme 47/2016, S. 5), wenn er zutreffend mit dem ursprünglichen Sinn und Zweck der Regelung zum Fahrverbot im Strafverfahren argumentiert:

 

"Das Fahrverbot dient als Denkzettel- und Besinnungsstrafe in erster Linie dazu, auf nachlässige, leichtfertige oder sonst pflichtvergessene Kraftfahrer insbesondere aus spezialpräventiven Gesichtspunkten einzuwirken und sie eindringlich darauf hinzuweisen, dass die bei nochmaligem Fehlverhalten möglicherweise ihre Fahrerlaubnis aufs Spiel setzen. 1 Das Fahrverbot zeichnet sich gerade dadurch aus, dass es einen individuellen Bezug zur Tat hat. Der Täter, der sich durch seine Tat zwar (noch) nicht als verkehrsuntauglich erwiesen hat, allerdings Verkehrspflichten in vorwerfbarer Weise verletzt hat, soll zur Besinnung ermahnt werden – ohne dass es zu einer Entziehung der Fahrerlaubnis kommt."

 

Abschließend sei darauf hingewiesen, dass auch Personen ohne einen Führerschein privilegiert werden, da sie selbstverständlich nicht von einem Fahrverbot betroffen sein können.

 

Die geplante Gesetzesänderung ist, wie einige der anderen im Entwurf enthaltenen Änderungen auch, grober Unfug, der zu einer ungerechteren Rechtslage führen wird. Warum sich die Bundesregierung in diesem Fall nicht nur gegen die auch sonst kritischen Experten aus der Anwaltschaft, sondern auch gegen den Richterbund, die Automobilclubs und so ziemlich jeden Juristen der Bundesrepublik stellt ist nicht ersichtlich. Es bleibt zu hoffen, dass der Bundestag bzw. der ggf.  anzurufende Ausschuss noch eine Änderung herbeiführen kann.

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