Über die Gefahr ein "Amtsträger" zu sein

Sind Sie ein Amtsträger ? Nein ? Dann rate ich Ihnen trotzdem den folgenden Beitrag zu lesen. Denn vielleicht sind Sie ja doch ein Amtsträger im Sinne der Strafgesetze.

 

Wer nämlich Amtsträger im Sinne des Strafrechts ist, ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Nr. 2 StGB. Danach ist Amtsträger, wer "nach deutschem Recht a) Beamter oder Richter ist, b) in einem sonstigen öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis steht oder c) sonst dazu bestellt ist, bei einer Behörde oder einer sonstigen Stelle oder in deren Auftrag Aufgaben der öffentlichen Verwaltung unbeschadet der zur Aufgabenerfüllung gewählten Organisationsform wahrzunehmen."

 

Insbesondere die Regelung des § 11 Abs. 1 Nr. 2 c) StGB hat es in sich. Wie bereits Greeve und Dörr zutreffend ausführen, wird "wer mit Hilfe herkömmlicher Auslegung dieser Regelung zu Leibe rückt, schnell verzweifeln" (in: Verteidigung in Wirtschafts- und Steuerstrafsachen, 2. Auflage, § 20, Rn. 97). Ein echtes System ist kaum erkennbar, immer wieder tauchen Einzelfälle auf, die nur scheinbar eine Erweiterung oder Verengung des Amtsträgerbegriffs bedeuten.

 

Doch wagen wir einen -zugegebenermaßen recht oberflächlichen- Versuch.

 

Zunächst ist eine Bestellung (zur Wahrnehmung von Aufgaben öffentlicher Verwaltung) notwendig. Diese setzt einen Bestellungsakt voraus (Greeve/Dörr, aaO, Rn. 98; Fischer, StGB, 61. Auflage, § 11, Rn. 20 mit weiteren Nachweisen; zuletzt auch: OLG Celle, Beschluss vom 02. August 2016 – 1 Ws 358/16, 1 Ws 359/16 –, zitiert nach juris). Anders als man im hochformellen Bereich der deutschen Verwaltung annehmen könnte, ist hierfür jedoch keine besondere Form erforderlich (BGH, Urteil vom 15. Mai 1997 – 1 StR 233/96 –, zitiert nach juris). Voraussetzung ist die Heranziehung zu einer Tätigkeit von gewisser Dauer oder eine Eingliederung in die Struktur der beauftragenden Behörde (Greeve/Dörr, aaO).

 

Kommt man zu einer Bestellung, was wie gezeigt keine sonderlich hohen Hürden bereitet, müssen auch Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen werden. Dies sind solche, die ein Hoheitsträger -zulässigerweise- für sich in Anspruch nimmt (KG Berlin, Beschluss vom 15. November 1993 – (4) 2 HEs 15/93 (177/93) - Ws 272/93 –, zitiert nach juris, dort 2. Leitsatz). Eine Unterscheidung in Eingriffs- und Leistungsverwaltung wird dabei nicht vorgenommen; auch die fiskalische Verwaltung fällt hierunter (so auch: Fischer, aaO, Rn. 22). Für den Fall, dass der Staat hoheitliche Aufgaben durch privatrechtlich organisierte Handlungsformen wahrnimmt, ist in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. BGH, Urteil vom 27. November 2009 – 2 StR 104/09 –, zitiert nach juris, dort Rn. 35; Greeve/Dörr, aaO, Rn. 101 mit weiteren Nachweisen aus der Rechtsprechung) , dass sich diese Tätigkeit -will man sie als öffentliche Verwaltung ansehen- als "verlängerter Arm des Staates" darstellen muss. Es ist eine staatliche Steuerung der Gesellschaft notwendig (Fischer, aaO, Rn. 22b mit weiteren Nachweisen) Deshalb lehnte der Bundesgerichtshof beispielsweise die Amtsträgereigenschaft von Mitarbeitern einer städtischen Wohnungsbaugesellschaft ab (BGH, Urteil vom 18. April 2007 – 5 StR 506/06 –, zitiert nach juris). Diese nehme keine Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahr, weil die Zurverfügungstellung von Wohnraum durch gleichwertige Leistungen anderer Wohnungseigentümer ersetzt werden könne.

 

Im Ergebnis kann nur eine -mehr oder weniger vage- Prognose hinsichtlich der Amtsträgereigenschaft gestellt werden wobei sich in der Verteidigung einer ausgereifte Argumentation bereits im Ermittlungsverfahren sehr zum Vorteil des Beschuldigten auswirken kann.

 

Um jedoch auch dem juristischen Laien einen Anhaltspunkt zu geben, bei welchen Tätigkeiten und Position bereits eine Amtsträgereigenschaft angenommen wurde, folgen einige Beispiele.

  • Vorstandsmitglieder einer Landesbank (BGH, Urteil vom 10. März 1983 – 4 StR 375/82 –, BGHSt 31, 264-290, hier zitiert nach juris)
  • Geschäftsführer einer GmbH zur Müllentsorgung, deren Alleingesellschafter der Landkreis ist (BGH, Beschluss vom 26. Oktober 2006 – 5 StR 70/06 –, zitiert nach juris)
  • Mitglieder des Prüfungsausschusses eines Schießsportvereins zur Abnahme der Sachkundeprüfung gem. § 3 Abs. 5 AWaffV (OLG Celle, Beschluss vom 02. August 2016 – 1 Ws 358/16, 1 Ws 359/16 –, zitiert nach juris)
  • Mitglied des Leitungsorgans eines Rechtsanwaltsversorgungswerks (BGH, Urteil vom 09. Juli 2009 – 5 StR 263/08 –, BGHSt 54, 39-44, hier zitiert nach juris)
  • Ehrenbeamte, z.B. ehrenamtlicher Bürgermeister (BGH, Urteil vom 09. September 2014 – 5 StR 200/14 –, zitiert nach juris)

Ärzte die gegenüber den gesetzlichen Krankenkassen abrechnen, sind jedoch nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshofes keine Amtsträger. Da sie aber auch nicht unter den Tatbestand der weiteren bestehenden Regelungen zur Bekämpfung der Korruption fallen, hat der Gesetzgeber das Gesetz zur Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen verabschiedet, welches im Juni 2016 in Kraft getreten ist.

 

Nun stellt sich die Frage, warum die Feststellung der Amtsträgereigenschaft so wichtig ist. Die Antwort ist recht einfach. Nur ein Amtsträger kann die sogenannten Amtsdelikte begehen. Diese werden im 30. Abschnitt des Strafgestzbuches (§§ 331 bis 358 StGB) geregelt und umfassen z.B. Falschbeurkundung im Amt, die Verletzung des Dienstgeheimnisses und in den vorgenannten Fällen besonders relevant, die Vorteilsannahme und -gewährung sowie Bestechung und Bestechlichkeit (§§ 331 - 335a StGB). Zwar steht auch die Bestechung und Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr (§ 299 StGB) -die auch ein Nicht-Amtsträger begehen kann- unter Strafe. Allerdings ist der Strafrahmen hier Geldstrafe oder bis zu 3 Jahren Freiheitsstrafe während die Bestechung und Bestechlichkeit mit Freiheitsstrafe von 3 Monaten bis zu 5 Jahren bestraft wird.

 

Ein weiteres Beispiel, bei dem die Amtsträgereigenschaft zu einer höheren Strafe führen kann, ist der Betrug (§ 263 StGB). Nach § 263 Abs. 3 Nr. 4 StGB ist -im Regelfall- ein besonders schwerer Fall des Betruges anzunehmen, wenn der Täter unter Missbrauch seiner Befugnisse als Amtsträger handelt. Damit liegt der Strafrahmen bei zwischen einem und 10 Jahren Freiheitsstrafe.

 

Somit dürfte ersichtlich sein, dass es sich bei der Frage, ob eine Person Amtsträger im Sinne des Strafrechts ist, keinesfalls nur eine juristische Spielerei handelt, sondern ernsthafte Auswirkungen auf die Strafbarkeit hat.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0